- Ort
- 52070 Aachen, Jülicher Straße 72 / Ecke Blücherplatz
- Ursprüngliche Nutzung
- Katholische Gemeindekirche des Bistums Aachen
- Neue Nutzung
- Coworking Space „Digital Church“
- Gebäude
- 1904–1907 erbaut, Architekt: Eduard Endler (1860–1932), Köln | seit 2002 Überlegungen zu einer Nutzungserweiterung | 2005–2007 Planung und Umsetzung der Pläne des Architekten Horst Fischer, Aachen | 2010 Aufgabe der selbstständigen Pfarrei | 2014–2015 Übergangsnutzung als Ausstellungs- und Forschungsflächen für Kinder und Jugendliche | 2016 Verkauf an den Vorstand der Landmarken AG | 2016 profaniert | 2016 Übergangsnutzung als urbanes Kulturhotel | 2017 Umbau zur „Digital Church“
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Der Haupteingang der ehemaligen Kirche St. Elisabeth ist zur Jülicher Straße ausgerichtet, mit ihrer nordöstlichen Fassade grenzt sie an den Blücherplatz, der von zwei Ausfallstraßen der Stadt Aachen begrenzt wird. Unweit der Kirche befinden sich weitere städtebauliche markante Orte, wie der Aachener Kur- und Stadtgarten, das Ludwig Forum für Internationale Kunst sowie der Ostfriedhof. Städtebaulich und architektonisch stellt die Kirche eine Dominante dar.
Gebäude | Bauform
Das Gebäude wurde als dreischiffige neogotische Hallenkirche mit einer aufwendigen Werksteinfassade aus Sandstein und Ettringer Tuffsteinquadern errichtet. Seine Formensprache erinnert an die Spätgotik der Mitte des 15. Jahrhunderts. Maßwerkfenster, zum Teil gedrehte Säulen und ein prächtiges Netzgewölbe im Inneren sind hier beispielhaft zu nennen. Ein hoher Turm ist der Kirche im Nordosten angegliedert und weithin sichtbar. Auch das Hauptportal befindet sich dort. Es wird durch ein großes Maßwerkfenster mit Buntglasscheiben betont, das im Inneren vor allem das Emporengeschoss belichtet. Im Südosten schließt St. Elisabeth mit einem halbrunden Chor ab. Das Dach ist in Schiefer gedeckt.
Entwicklungsprozess | Nutzungskonzept | Neunutzung
Nachdem die Katholische Pfarrei St. Elisabeth 2010 ihre Selbstständigkeit verloren hatte, wurde sie Teil der aus vier Pfarreien zusammengeschlossenen Gemeinde Christus unser Bruder. Das Kirchengebäude wurde zu dieser Zeit noch regelmäßig für Gottesdienste genutzt. Zudem waren die nicht sakralen räumlichen Funktionen der Gemeinde, wie das Gemeindebüro und Versammlungsräume, bereits 2007 in die Kirche integriert worden. Diese Planung fußte auf einem Entwurf des Aachener Architekten Horst Fischer, den dieser schon 2005 entwickelte, nachdem die Kirchengemeinde seit 2002 nach einer Nutzungserweiterung des als zu groß empfundenen Kirchenraumes gesucht hatte. Die Umsetzung dieser neuen Nutzung fand unterhalb der Empore und in dem ehemaligen Kapellenraum, der sich im Erdgeschoss des Turmes befand, statt, ohne die ursprüngliche Gebäudestruktur und Raumwirkung erheblich zu verändern. Durch eine großflächige Verglasung der bestehenden Rund- und Spitzbogenöffnungen wurden die neu geschaffenen Räume vom Kirchenraum getrennt, optisch blieb jedoch eine Verbindung erhalten. Raumtrennend oder -bildend sind ebenfalls die Regal- und Türelemente sowie die Holzlamellen innerhalb der Verbindungstüren und dem Windfang. In der Raumbreite des Mittelschiffes wurde ein Versammlungs- und Begegnungsraum eingefügt. Das angrenzende WC wurde in einen Nebenraum des tiefen Portalvorbaus integriert und sorgt gemeinsam mit der Gastherme für die separate Beheizung der neu geschaffenen Räumlichkeiten. Der nordwestliche Raum diente als Gemeindebüro und bekam ein zusätzliches schlichtes, rechteckiges Fenster auf der Westseite. In der kleinen Apsis im Erdgeschoss des Turmes wurde ein weiterer Versammlungsraum eingerichtet, ergänzt um eine kleine, rechteckige Fensteröffnung.
Im Jahr 2012 beschloss die Kirchengemeinde Christus unser Bruder, das Kirchengebäude zu verkaufen. Ein Käufer fand sich jedoch erst 2016 mit dem Aachener Investor und Vorstand der Landmarken AG, Norbert Hermanns. In der Zwischenzeit, von 2014 bis 2015, fungierte St. Elisabeth kurzzeitig als Ausstellungs- und Forschungsfläche für Kinder und Jugendliche des Kerkrader Continium Discovery Centre (Zweigstelle). Nachdem im April 2016 das Gebäude profaniert worden war, zog für drei Monate das urbane Kulturhotel „Hotel Total“ ein. Dieses vom Bund geförderte Projekt band Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge zunächst in den Umbau und dann in die Betreuung der Hotelgäste ein. Im Dezember 2016 erfolgte die Übergabe an den neuen Eigentümer, der das Gebäude im Jahr 2017 seiner neuen Nutzung als „Digital Church“ zuführte. Als neuer Standort des Vereins digitalHUB Aachen, der sich für die Digitalisierung der Wirtschaft und der öffentlichen Hand der Region Aachen einsetzt, eröffnete in St. Elisabeth im Juli ein Coworking Space für Start-ups, Mittelstand und Industrie. Der Verein und die Landmarken AG einigten sich auf eine multifunktionale Nutzung des Kirchengebäudes im Sinne eines Shared Space, die seinerursprünglichen Bedeutung als Begegnungs- und Veranstaltungsstätte gerecht werden soll. St. Elisabeth steht daher auch als Veranstaltungsort zur Verfügung.
Reversible Einbauten, die geschlossene Arbeitsräume ausbilden, wurden dafür zwischen die tragenden Säulen des Mittelschiffes gesetzt. Durch das Langhaus des Mittelschiffes ziehen sich zudem zwei lange, schmale Arbeitstische, die von beiden Seiten bespielt werden können. Einzelne kleinere Schreibtische mit Trennwänden zu drei Seiten hin sind als zusätzliche mobile Arbeitsräume zwischen den Einbauten und den längs ausgerichteten Tischen aufgestellt. Alle diese Elemente lassen sich flexibel anordnen bzw. entfernen. In den beiden Seitenschiffen können nach Bedarf weitere Work Spaces oder Ruhezonen eingefügt werden. Eine moderne Beleuchtung schafft zusätzlich Arbeitsatmosphäre. Der ehemalige Chorbereich beherbergt eine Art Lounge mit bequemen Sitzmöglichkeiten, die wiederum mobile und flexible Gestaltungsoptionen bieten, und eine Bar mit Theke. Der bereits 2007 umgebaute Bereich unter dem Emporengeschoss blieb erhalten und wird unter anderem als Foyer genutzt.
Esther Ulli Heckmann M. A., Baukultur Nordrhein-Westfalen