- Ort
- 41061 Bochum, Halbachstraße 1 / Baarestraße
- Ursprüngliche Nutzung
- Evangelische Pfarrkirche mit Gemeindezentrum der Evangelischen Kirche von Westfalen
- Neue Nutzung
- Erweiterte Nutzung der Friedenskirche als Stadtteilzentrum „Q1 – Eins im Quartier. Haus für Kultur, Religion und Soziales im Westend“
- Gebäude
- 1967–1969 erbaut, Architekten: Walter Arns (1923–2016), Remscheid, Louis Buderus sen. (1935–2007), Arnold Rupprecht, Bochum | 2000 Einbau Gemeindenutzungen | 2013/2014 Umbau zum Stadtteilzentrum, beide Umbauphasen: soan architekten, Bochum
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die Friedenskirche liegt im Stadtteil Hamme-Stahlhausen, westlich der Bochumer Innenstadt, in einer Arbeitersiedlung aus gründer- und nachkriegszeitlichen Bauten in aufgelockerter Bauweise. Das Quartier ist umgeben von Flächen der ehemaligen Bochumer Stahlindustrie, die heute zum Teil als Gewerbeflächen genutzt werden. Der Stadtteil zeichnet sich durch einen hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund aus und ist Teil des Bochumer Projekts Westend im Programm „Stadtumbau West“.
Gebäude | Bauform
Das Kirchengebäude orientiert sich mit einem frei stehenden Glockenturm (sogenannter Campanile) aus Sichtbetonwinkeln zur quartiererschließenden Baarestraße. Turm und Kirchengebäude setzen hier einen deutlichen städtebaulichen Akzent. Der klinkerbekleidete, ursprünglich hallenartige Kirchenbau ist, von der Straße zurückgesetzt, verbunden mit einem bestehenden Gemeindehaus mit Kirchsaal errichtet worden. Beide Gebäude orientieren sich zu einem von der Straße zurückliegenden gemeinsamen Vorplatz. In der ersten Umbauphase wurde eine Nutzungserweiterung des Kirchengebäudes mit multifunktionalen Räumen realisiert, die den Sakralraum reduzierte. Der Gemeindesaal des älteren Gebäudes wurde vermietet. Im hinteren Geländeteil am Ende der gemeinsamen Zufahrt befindet sich ein Evangelisches Familienzentrum mit sechszügiger Kindertagesstätte.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
k. A.
Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde
k. A.
Prozess | Beteiligte
k. A.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Aufgrund eines wachsenden Anteils von Bewohnern mit Migrationshintergrund im Stadtteil nahm die Mitgliederzahl der Kirchengemeinde in der Umgebung der Friedenskirche über Jahre deutlich ab.
Die Evangelische Kirchengemeinde Bochum-Innenstadt verfügt neben der Friedenskirche noch über drei weitere Sakralgebäude mit jeweils deutlich größeren Einzugsgebieten. Aus diesen Gründen wurde bereits Ende der 1990er Jahre das Gemeindehaus der Friedenskirche aufgegeben und vermietet.
Die Gemeindenutzungen wurden im Jahr 2000 mit einer Umgestaltung des Gottesdienstbereichs in das Kirchengebäude eingebaut. Nach ca. zehn Jahren war die Gemeinde so stark weiter geschrumpft, dass auch dieses Konzept nicht mehr tragfähig war. Im Rahmen des Stadtumbauprojekts Westend entwickelte die Evangelische Gemeinde Bochum nun in gemeinsamer Trägerschaft mit dem „IFAKe. V. – Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit“ ein Stadtteilbegegnungszentrum als Anlaufstelle für Menschen aller Religionen in den Bochumer Stadtteilen Stahlhausen, Griesenbruch und Goldhamme. Der Stadtteiltreff mit Cafeteria, Gruppenräumen, Jugendbereich, Büros und Veranstaltungssaal nahm größere Teile des Kirchengebäudes in Anspruch und wurde durch Anbauten ergänzt. Teil des Konzepts ist die Zusammenarbeit mit dem benachbarten Familienzentrum und der Kindertagesstätte. Im ehemaligen Kirchengebäude wurde ein sakraler Raum als Friedenskapelle gestaltet, der dem Rückzug und Gebet für Angehörige aller Religionen sowie weiterhin auch Gottesdiensten der Kirchengemeinde gewidmet ist.
Besonderheiten | Erfahrungen
Für die Evangelische Kirchengemeinde allein war das Kirchengebäude zu groß und nicht mehr finanzierbar, da der Anteil ihrer Mitglieder in der Einwohnerschaft ihres Gemeindebezirks stark zurückging. Allerdings bestand bei den Stadtteilbewohnern ein Bedarf an Räumen für Begegnung und Austausch sowie soziale und kulturelle Arbeit. Eine gemeinsame Organisation dieses Bedarfs über Grenzen von Gemeinde-, Kirchen- und Religionsmitgliedschaften hinweg sichert sowohl der Kirchengemeinde als auch dem Quartier Möglichkeiten und Räume.
Dieses Beispiel zeigt, dass das Parochialprinzip (das heißt: in Ortsgemeinden eingeteilt) als Organisationsform der großen Konfessionskirchen an einigen Standorten überdacht werden muss.
An vielen Orten stellen Kirchenmitglieder inzwischen nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung. Trotzdem ist auch hier kirchliches Handeln möglich, wenn räumliche und inhaltliche Schwellen abgebaut und neue Partnerschaften eingegangen werden. Statt Rückzug wurde in Bochum-Stahlhausen der Weg einer aktiven Rolle in der integrativen Quartiersentwicklung gewählt. In den durch neue Partnerschaften erschlossenen Synergien mit anderen Akteuren liegt die Chance, auch an einem Minderheitsstandort das Gemeindeleben wieder zu stärken.
Die Planungen, das Kirchengebäude bei bestehender Widmung als Kirche in ein interreligiös genutztes Stadtteilzentrum mit partnerschaftlicher Trägerschaft umzunutzen, stießen zunächst innerkirchlich auch auf Kritik. Spätestens aber nachdem im Jahr 2016 „Q1 – Eins im Quartier“ im bundesweiten Wettbewerb der Wüstenrot Stiftung „Kirchengebäude und ihre Zukunft“ unter 291 Einsendungen einen der beiden Preise gewonnen hat, ist dieses innovative Kirchen-Weiternutzungsprojekt bundesweit bekannt und auch innerkirchlich anerkannt.
Die gesamte Maßnahme mitProjektkosten im Zeitraum von 2013 bis 2015 in Höhe von ca. 2,1 Millionen Euro wurdeüberwiegend mit öffentlichen Fördermitteln finanziert. Eine Kombination von kommunalen, Landes-, Bundes- und EU-Fördermitteln ermöglichte vor dem Hintergrund des Städtebauförderprogramms „Stadtumbau West – Bochum Westend“ein derartiges Projekt, in dem nun kirchliche und öffentliche Institutionen zusammenarbeiten.
Jörg Beste, synergon Köln