Projekt

Lutherkirche | „LutherLAB e.V.”

Bochum
Ort
Alte Bahnhofstraße 166, 44892 Bochum
Ursprüngliche Nutzung
Kirche der Evangelischen Kirche von Westfalen
Neue Nutzung
Soziales Zentrum
Gebäude
1903-1905 erbaut, Architekt: Architekten G.A. Fischer (1833–1906) | 1947-1950 wiederaufgebaut | 2012 profaniert | 2017 befristete Wiedereröffnung im Rahmen des Festivals der UrbaneProduktion.Ruhr | 2018 Gründung des Vereins LutherLAB e.V. und Umnutzung
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die Lutherkirche liegt zentral an der Alten Bahnhofstraße 166 im Stadtteil „Alter Bahnhof“ von Bochum-Langendreer. Dieser ist heute ein multikultureller Stadtteil mit lokalen Einkaufsmöglichkeiten des täglichen Bedarfs. Seit einigen Jahren wird er durch Maßnahmen im Rahmen der Stadtentwicklung gefördert. Das betrifft sowohl die einzigartige Architektur als auch die sozialen Räume wie den Volkspark und Spielplätze. Das Kirchengebäude selbst erstreckt sich von West nach Ost, wobei der Kirchturm an der Seite zur Alten Bahnhofstraße gleichzeitig den Eingangsbereich des Gebäudes bildet.

Gebäude | Bauform

Die Lutherkirche wurde in den Jahren 1903 bis 1905 errichtet, um der wachsenden evangelischen Kirchengemeinde in Langendreer gerecht zu werden. Sie wurde aus gelblich grauen Ruhrsandsteinen gebaut. Am Portal, an Umrahmungen und an den Maßwerken wurde zur optischen Hervorhebung „Heilbronner Sandstein“ verwendet. Das Kirchendach wurde mit Schiefer gedeckt.

Die Kirche wurde als Predigtkirche gebaut, in dem das zentrale Kirchenschiff annähernd quadratisch ist. Um dem Ganzen den Grundriss eines Kreuzes zu geben, wurde das Kirchenschiff in der Breite erweitert. Das Kirchengestühl wurde für bis zu 800 Besucher ausgelegt und war durch Ausziehsitze an den Bankenden bis auf 1000 Besucher erweiterbar. Zwei beherrschende Rosettenfenster an den beiden Seiten sorgen für ein großzügiges Licht im Innenraum.

Die ursprüngliche Ausmalung der Kirche entsprach der damals vorherrschenden Kirchenausmalung und gipfelte in einem großen Kreuzigungsbild an der Chorwand oberhalb des Altars, ausgeführt durch den Kirchenmaler Rüter aus Düsseldorf.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark zerstört, so dass der Wiederaufbau bis 1950 dauerte. Die ursprüngliche Gestaltung des Innenraums ist nur noch auf verblichenen Fotos dokumentiert. Lediglich der Altar und die Kanzel blieben nahezu unzerstört erhalten. Die Neugestaltung des Innenraums wurde bewusst in einer helleren Farbgebung durchgeführt, welche die natürliche Schönheit und bauliche Gliederung des Gebäudes hervorheben sollte. Das durch Kriegseinwirkung teilweise zerstörte Kreuzigungsbild an der Chorwand wurde wieder durch den Kirchenmaler Rüter aus Düsseldorf als Auferstehungsbild erneuert.
Das heute wieder sanierungsbedürftige Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die Lutherkirche wurde als eine evangelische Kirche gebaut. Im Mittelpunkt eines der beiden Langendreerer Zentren gelegen, war sie nach der Errichtung für die damalige Bevölkerung spiritueller und sozialer Anlaufpunkt.

Städtebaulich ist die Lutherkirche ein besonderes Symbol für die Entwicklung Langendreers. In ihr drückt sich der Wandel vom Bauerndorf zum Stadtteil Langendreer im Rahmen der Industrialisierung im Ausgang des 19. Jahrhunderts und Übergang zum 20. Jahrhundert aus. Mit der Bezeichnung „Dom von Langendreer“ ist sie ein Eckpunkt der anschließenden bürgerlichen Bebauung als ein bis jetzt erhaltenes städtebauliches Quartier aus der kaiserlichen Zeit der Jahrhundertwende.

Mit Blick auf den Grundriss gilt die neugotische Kirche heute als ein erhaltenswertes Beispiel einer „kreuzförmigen Emporenkirche“ des späten Historismus nach den Vorstellungen des „Wiesbadener Programms“.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

Die Lutherkirche war nach der feierlichen Einweihung eine von drei evangelischen Kirchen in Langendreer. In den 1960er Jahren wurden noch zwei weitere Kirchengebäude in anderen Stadtteilen von Langendreer gebaut, so dass die evangelische Kirchengemeinde schließlich fünf Gotteshäuser zu bewirtschaften und zu „bespielen“ hatte. In den Anfängen der 2000er wurde immer deutlicher, dass sie alle diese Kirchen finanziell und auch substanziell nicht würde halten können. Nach jahrelangen Beratungen im Presbyterium, gab schließlich der gewaltige Renovierungsaufwand den Ausschlag. Die Lutherkirche wurde 2012 entwidmet. Der letzte Gottesdienst wurde am 17. Juni 2012 gefeiert.

In den Jahren bis 2017 entwickelte die Kirchengemeinde unterschiedliche Ideen zur Nachnutzung, aber es konnte trotz aller Bemühungen kein Investor gefunden werden, der das Gebäude erwerben und in irgendeiner Weise weiter entwickeln würde.

Im September 2017 wurde die Kirche im Rahmen des Festivals der „UrbaneProduktion.Ruhr“ noch einmal für zwei Monate geöffnet. Dieses Festival fand großen Zuspruch in der Bevölkerung. Die Menschen interessierten sich wieder für das Gebäude und das, was man darin veranstalten könnte.

Prozess | Beteiligte

Nach dem Festival 2017 fand sich eine kleine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern aus Langendreer zusammen, die an der Möglichkeit festhalten wollte, auch weiterhin die Lutherkirche für alle Bürger und Interessierte aus Kultur, Handwerk, Wirtschaft und sozialen Institutionen zu erhalten. Die gemeinschaftliche Entwicklung einer Zwischen- und Nachnutzung in der entwidmeten Kirche machte eine Vereinsgründung notwendig, um die erforderlichen Versicherungen und Förderungsmöglichkeiten zur Fortführung der Ideen und Aktivitäten sicherzustellen. Im Juli 2018 wurde deshalb der Verein „LutherLAB e.V.“ gegründet mit dem Ziel, die Lutherkirche im Sinne sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Zwecke weiterzuentwickeln und für den Stadtteil und auch für Interessierte über den Stadtteil hinaus zu öffnen.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Das jahrelang leerstehende denkmalgeschützte Gebäude wird zu einem Zentrum für „Geschichte, Bildung, Begegnung, Innovation und Nachhaltigkeit“ entwickelt. Dadurch soll auch das Zusammenleben im Quartier gestärkt werden, denn Gemeinschaft braucht immer einen Raum.

Bis Ende 2022 hat der Verein einen Nutzungsvertrag mit der evangelischen Kirchengemeinde geschlossen, die bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin die laufenden Betriebskosten für das Gebäude trägt. Ein wesentliches Ziel des Vereins ist es daher auch, ein tragfähiges Betriebskostenkonzept zu entwickeln, das es ermöglicht, nach 2022 die Betriebskosten als Verein selbst zu tragen. An einen Erwerb des Gebäudes wird zurzeit in keiner Weise gedacht.

Die Nebenräume der Kirche werden derzeit nach und nach umgenutzt. In der ehemaligen Sakristei wird eine Küche eingerichtet, damit Veranstaltungen auch entsprechend bewirtet werden können. Die ehemalige Kapelle wird zu einem Büro- und Besprechungsraum umgebaut. An einen Umbau des Hauptraums wird zurzeit nicht gedacht.

Besonderheiten | Erfahrungen

In einem Strategieprozess entwickeln die Mitglieder sowie Interessierte das Konzept für die Zwischen- und Nachnutzung des Gebäudes. Parallel dazu wird das „tragfähige Trägerkonstrukt“ für das Gebäude entwickelt. Mittel aus der „Stadtentwicklung NRW“ und weitere Fördererinnen und Förderer ermöglichen diesen Prozess in einer Machbarkeitsstudie.

Für die weitere Entwicklung des „LutherLAB“ werden ehrenamtliche Fachkräfte zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit, zur Pflege des Internetauftritts, zur Modernisierung und Instandhaltung der Elektrik, zur fachmännischen Betreuung beim Innenausbau und zu vielen anderen Dingen mehr gebraucht. Darüber hinaus werden auch finanzielle Unterstützungen in Form von Fördermitteln sowie in Form von Geld- und/oder Sachspenden benötigt.

Die bisher gemachten Erfahrungen im Umgang mit Behörden und Institutionen sind nahezu durchweg positiv. Das bestätigt die Mitglieder des Vereins „LutherLAB e.V.“ auf dem weiteren Weg. Der Verein selbst und die Lutherkirche sind inzwischen auch über die Stadtgrenzen Bochums hinweg bekannt. Regelmäßig finden heute unterschiedlichste Veranstaltungen und Formate statt, https://www.lutherlab.de/termine/ und https://www.lutherlab.de/experimentierraum/ .

Klaus-Peter Eschert, LutherLAB, Bochum

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.lutherlab.de/gebaeude/