Projekt

Nathan-Söderblom-Kirche | Tanzstudio

Hürth
Ort
Ortshofstraße 25, 50354 Hürth
Ursprüngliche Nutzung
Kirche der Evangelischen Kirche im Rheinland
Neue Nutzung
Tanzstudio
Gebäude
1972–1973 erbaut, Architekten: Wolfgang Schmidtlein und Robert Rit | 1981 Bau eines separaten Glockenturms | 2008 außer Dienst gestellt | 2011 Verkauf und Nutzung als Wohnhaus und als Übungsraum für das Tanzstudio
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz.

Ortslage I Städtebauliche Situation

Die evangelische Nathan-Söderblom-Kirche liegt im kleinen, vorgelagerten Stadtteil Kendenich der Stadt Hürth. Durch die schwach ausgeprägte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist der Ort nur mit dem Auto zu erreichen, zudem queren einige Wanderwege den Ortskern. Mit knapp 3.000 Einwohnern lässt sich Kendenich als klassisch dörfliche Struktur einordnen.

Städtebaulich wird der Ort von der Hauptstraße, die sich einmal durch das Dorf zieht, dominiert. Entlang dieser Hauptachse entwickelt sich auch die Wohnbebauung, überwiegend in Form von Ein- bzw. Zweifamilienhäusern, gelegentlich wechseln sich diese mit Mehrfamilienhäusern ab. Auch Fixpunkte des gemeinschaftlichen Lebens wie Restaurants oder ein Lebensmittelgeschäft finden sich direkt an der Hauptachse wieder. Dazu gehört auch die Nathan-Söderblom-Kirche, die zusammen mit der in direkter Nachbarschaft befindlichen katholischen Kirche St. Johann Baptist den Ortseingang ausbildet. Im Trio mit einer auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Schule bilden sie das gesellschaftliche Zentrum von Kendenich aus, wobei sich die Nathan-Söderblom-Kirche durch den sehr kleinen Kirchturm sowie den zur Straße vorgelagerten Parkplatz leicht aus dem öffentlichen Raum zurücknimmt.

Gebäude I Bauform

Erste Pläne zur Errichtung der Nathan-Söderblom-Kirche wurden bereits Anfang der 1950er Jahre gefasst, aufgrund verschiedener Schwierigkeiten wurde aber erst 1972 mit dem Bau begonnen. Die Kirche wurde vom Architekten Wolfgang Schmidtlein als funktionale, eingeschossige Saalkirche konzipiert. Die Basis bildet ein niedrig ausgebildeter Sockel aus Ziegelstein, auf den ein steiles Satteldach mit hoher Firstausbildung aufgesetzt ist, das mit dunklen Bitumenschindeln eingedeckt wurde. Der Hauptzugang erfolgt über die straßenorientierte Giebelseite des Gebäudes, die großflächig verglast ist. Südlich angrenzend wurde ein Pfarrheim samt Sakristeiräumen errichtet, das direkt vom Kirchenraum aus zugänglich ist. Die nördliche Längswand wurde komplett verglast, hier ergibt sich ein direkter Blick aus dem Gottesdienstraum in den von einer massiven Backsteinmauer umgrenzten Kirchengarten.

Der Innenraum ist geprägt von der steilen Dachneigung sowie dem diffusen Lichteinfall des verglasten Giebels. Zur Straße wurde ein freistehender Glockenturm errichtet, der ohne Sockel pyramidenartig zuläuft und ebenfalls mit dunklen Bitumenschindeln eingedeckt ist. Um die Kirche herum erstreckt sich eine dichte, fast waldartige Vegetation, die den Blick auf die Kirche erschwert und diese eher dunkel und abweisend wirken lässt.

Historische Bedeutung I Soziales Umfeld

Die neuere Geschichte Hürth-Kendenichs ist stark vom Braunkohleabbau geprägt worden. Durch diesen entwickelte sich der Stadtteil von einer Bauernsiedlung in ein Dorf, das Anziehungspunkt für arbeitssuchende Menschen wurde. Es entstanden erste kleine Wohnhäuser, langsam entwickelten sich gemeinschaftliche Gebäude wie Schulen und auch Kirchen für die wachsende Bevölkerung. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Nachbarort Knapsack aufgrund des Tagebaus umgesiedelt, wodurch es zu einer Reform der örtlichen evangelischen Gemeinde kam. Ergebnis der Reform war der Beschluss zum Bau der Nathan-Söderblom-Kirche als neue Hauptkirche für die neu strukturierte örtliche Gemeinde.

Im Jahr 2008 wurde die Kirche jedoch aus finanziellen Gründen und einer neuerlichen Gemeindereform entwidmet und zum Kauf angeboten. Seit 2011 beheimatet sie ein lokales Tanzstudio mit langer Tradition.

Kirchliche Nutzung I Einbindung in die Bürgergemeinde

s.o.

Prozess I Beteiligte

Der Entschluss zur Entwidmung aufgrund von Sparauflagen wurde 2007 von der Gemeindeverwaltung veröffentlicht. Bereits kurze Zeit später begann die Suche nach einer geeigneten Nachnutzung des Gebäudes, das nicht unter Denkmalschutz steht, aber erhalten werden sollte.

Verschiedene Konzepte wurden eingereicht, wozu beispielsweise eine Umnutzung zu Wohnzwecken oder als Autowerkstatt gehörten. Den Zuschlag bekam schließlich ein lokales Tanzstudio, das die Nathan-Söderblom-Kirche seit dem Umbau als Trainingsstudio nutzt. Die Besitzerin hat die ehemaligen Gemeinderäume zudem zu Wohnzwecken umgebaut.

Nutzungskonzept I Neunutzung

Für die Umnutzung der Nathan-Söderblom-Kirche zu einem Tanzstudio musste vor allem der Innenraum aufwendig umgebaut werden. Der Steinboden des Gottesdienstraumes wurde komplett ausgebaut und durch einen Schwingboden mit Holzparkettbelag ersetzt. Die Dachschrägen wurden innenseitig gedämmt und mit Gipskartonelementen verkleidet. Auch eine aufwendige Licht- und Soundtechnik wurde eingebaut. Als Ergebnis präsentiert sich der ehemalige Gottesdienstraum als heller, freundlicher Trainingsraum, der durch seine Leere großzügig wirkt und die sakrale Vergangenheit offen zur Schau trägt.

Besonderheiten I Erfahrungen

Durch den fehlenden Denkmalschutz waren der Umnutzung der Nathan-Söderblom-Kirche baulich keine Grenzen gesetzt, sogar ein Abriss wäre möglich gewesen. Die lokale evangelische Kirche entschied sich aber bewusst gegen diese Variante, in dem sie Investor*innen suchte, die die Kirche erhalten und zudem eine Verbindung zur lokalen Bevölkerung in Kendenich aufweisen. Durch diese Vorgaben wurde der Einzug des lokalen Tanzstudios ermöglicht, das seit langem in Kendenich verwurzelt ist. So bleibt die Kirche dem Stadtbild erhalten und trägt weiterhin zur lokalen Gemeinschaft bei.

 

Autor: Felix Hemmers, studiohemmers

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.kirche-koeln.de/abschied-von-der-nathan-soederblom-kirche-in-huerth-kendenich/