Projekt

Kreuzeskirche | Kultur- und Gemeindekirche

Essen
Ort
45127 Essen, Kreuzeskirchstraße 16 / Weberplatz
Ursprüngliche Nutzung
Gemeindekirche der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt; Evangelische Kirche im Rheinland
Neue Nutzung
Privatisierung und Nutzungserweiterung: Veranstaltungsstätte, kirchliche und sakrale Nutzung
Gebäude
1894–1896 erbaut, Architekt: August Orth (1828–1901), Berlin | 1943 bis auf die Außenmauern zerstört | 1949–1953 vereinfacht wiederaufgebaut | 1994 Renovierung Fassaden und Innenraum | 2013 Verkauf an einen Essener Bauunternehmer | 2014 Umbau: Hannemann Architekten, Essen | 2016 Neugestaltung der Kirchenfenster, Künstler: James Rizzi (1950–2011), New York
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die Kreuzeskirche befindet sich am nördlichen Rand der Essener Innenstadt. Im Umfeld von vorwiegend nordsüdlich und ostwestlich orientierten Straßen steht sie um ca. 45 Grad gedreht zu Kreuzeskirchstraße und I. Weberstraße. Der Chor weist in den Blockinnenbereich nach Nordosten, der dreigeschossige Eingangsturm steht im Südwesten an der Straßenkreuzung. Ursprünglich dominierte das Gebäude mit dem Turm und seiner Höhe die zeitgenössische dreieinhalb- bis viereinhalbgeschossige nördliche Innenstadt. Inzwischen ist das Kirchengebäude als ältestes verbliebenes Bauwerk seiner Umgebung in eine überwiegend vier- bis sechsgeschossige Bebauung aus mehrheitlich gewerblichen und teilweise Wohnbauten eingewachsen. Mit seiner Lage an einer Straßenkreuzung und am Weberplatz dominiert es bis heute sein direktes städtebauliches Umfeld.

Gebäude | Bauform

Die Kreuzeskirche wurde als kompakte Hallenkirche mit Querhaus und Chor auf einem Grundriss in der Form eines Lateinischen Kreuzes errichtet. Die Fassaden bestehen aus rotem Klinker in den Flächen, abgesetzt mit gliedernden Dekorationselementen aus Sandstein. Der Haupteingang befindet sich, um zwölf Stufen erhöht, mittig im dreigeschossigen Turm unter einem großen, erhalten gebliebenen Mosaik, das die Kreuztragung Jesu zeigt.

Die ursprüngliche innere Gestaltung der Kirche entsprach dem Wiesbadener Programm für eine evangelische Predigtkirche und verfügte über eine reiche dekorative Ausstattung. Hierzu gehörte auch eine dreiseitig umlaufende Empore plus separater Orgelempore. Die Kirche bot damit Sitzplätze für knapp 1.500 Gläubige. Die frühere Innenausstattung wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört. Von der Ursprungsausstattung blieben nur der Altar und das Altarkreuz bis heute erhalten.

Mit dem Wiederaufbau innerhalb der stehen gebliebenen Außenmauern wurde der Innenraum vereinfacht wiederhergestellt. Sanierung und Umbau haben 2014 den Innenraum nochmals schlichter und multifunktionaler gestaltet, unter anderem mit der Beseitigung der Kirchenbänke. Ein verglaster Vorbereich und weitere begleitende Räume wurden für die Nutzung als Versammlungsstätte eingebaut. Einen eigenen Gestaltungscharakter erhielt der schlicht weiß gehaltene Kirchenraum 2016 durch den Einbau neuer Kirchenfenster des Pop-Art-Künstlers James Rizzi.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Mit Stahlindustrie und Bergbau wuchs die Bevölkerung Essens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark an. Dabei erhöhte sich durch Anwerbung aus den preußischen Ostprovinzen insbesondere auch die Anzahl der Protestanten. Das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde beschloss deshalb bereits in den 1880er Jahren den Bau einer dritten evangelischen Kirche, nach der alten Marktkirche und der großen Pauluskirche von 1872.

1896 weihte Kaiserin Auguste Viktoria die Kreuzeskirche nach nur zweijähriger Bauzeit ein. Die Baukosten wurden zum großen Teil durch Essener Bürgerinnen und Bürger aufgebracht. Auch für die reiche Ausstattung hatten zahlreiche wohlhabende Gemeindemitglieder aus der Essener Unternehmer- und Bürgerschaft gespendet. Zum Beispiel stiftete eine der führenden Essener Bürgerfamilien das erhalten gebliebene Mosaik über dem Haupteingang.

Zu seiner Zeit galt der mit dem Bau direkt beauftragte Baurat August Orth aus Berlin als einer der modernsten Kirchenbaumeister, der insbesondere in Berlin viele große Kirchengebäude errichtete. Die Essener Kreuzeskirche, die sich an seiner Dankeskirche in Berlin-Wedding orientierte, wurde sein letztes vollendetes Gebäude.

Im Mai 1943 brannte die Kirche nach einem Luftangriff völlig aus. Nur die Außenmauern und der Hauptaltar mit einem von August Orth gestalteten neuromanischen Kreuz blieben erhalten. Von 1949 bis 1953 wurde die Kreuzeskirche – im Innenraum deutlich vereinfacht – wiederaufgebaut. Heute ist sie das älteste erhaltene Gebäude der nördlichen Innenstadt von Essen und steht seit 1987 unter Denkmalschutz.

Im Jahr 1994 war aufgrund erheblicher Schäden an der Ziegel-Sandstein-Fassade eine Sanierung notwendig. In diesem Zusammenhang gründete sich 1997 mit dem „Forum Kreuzeskirche“ eine private Initiative von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Essen, die das Gebäude in der Folge auch für verschiedene kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen und Konzerte nutzte. Insbesondere die 1968 eingebaute größte Orgel einer evangelischen Kirche im Ruhrgebiet kam hierbei zum Einsatz.

Dies führte eine bereits ältere Tradition fort, da bis zum Zweiten Weltkrieg der 1894 gegründete Essener Bachchor als Chor der Kreuzeskirche hier große Oratorien aufgeführt hatte. Nach dem Krieg wurde die spätere Essener Kantorei als Kreuzeskirchenchor gegründet und es entstand an dieser Stelle erneut ein kirchenmusikalisches Zentrum der Evangelischen Kirche in Essen.

Prozess | Beteiligte

In den 2000er Jahren wies die Kreuzeskirche bereits wieder einen so erheblichen Sanierungsbedarf auf, dass die Kirchengemeinde allein die nötigen Arbeiten nicht mehr finanzieren konnte. Deshalb wurde ein Trägerkonzept mit verschiedenen kirchlichen und privaten Trägern entwickelt und das Kirchengebäude 2013 zu einem symbolischen Preis an einen Essener Bauunternehmer verkauft. Dieser sanierte das Gebäude mit finanzieller Hilfe eines der drei Betreiberpartner, der sich mit ca. 1,6 Millionen Euro an den Kosten beteiligte. Das Land Nordrhein-Westfalen förderte die Sanierung der Gebäudesubstanz mit ca. einer Million Euro. Die Gesamtkosten von Sanierung und Umbau wurden auf rund drei Millionen Euro geschätzt. Die Planung der Gesamtmaßnahme dauerte insgesamt deutlich über zehn Jahre.

Das sanierte und zur multifunktionalen Veranstaltungsstätte umgestaltete Kirchengebäude vermietete der Eigentümer für zunächst zwanzig Jahre an die Trägergemeinschaft aus Evangelischer Kirchengemeinde Essen-Altstadt, dem Forum Kreuzeskirche Essen e. V. und dem Kreativunternehmer Reinhard Wiesemann, der bereits das Essener Unperfekthaus entwickelt hatte. Das Forum Kreuzeskirche hat sich die Begegnung von Glaube, Wissenschaft und Kunst zum Ziel gesetzt. Mit über 200 Mitgliedern beteiligen sich hierbei neben Essener Bürgerinnen und Bürgern zum Beispiel die Evangelische Kirchengemeinde Essen-Altstadt, die Universität Duisburg-Essen, die Folkwang Universität der Künste und das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI).

Nutzungskonzept | Neunutzung

Die Gemeinschaft der drei Mieter, Nutzer und Betreiber beschreibt mit den drei Begriffen „Eventlocation – Kulturort – Gemeindekirche“ die Gebäudenutzung mit multifunktionalem Veranstaltungsraum, einer Bühne mit mobiler Lichttraverse, Altar, Ambo, Taufbecken und Orgel-Spieltisch sowie mit Funktionsräumen. Der Dreiklang bildet die Betreiberkonzepte der drei Nutzer ab: Die Evangelische Kirchengemeinde Essen-Altstadt nutzt das Gebäude weiterhin als Gottesdienststätte und für Amtshandlungen mit 40 Prozent nicht kommerzieller Nutzungszeit. Der Forum Kreuzeskirche Essen e. V. betreibt hier gemeinnützige Kulturveranstaltungen mit ebenfalls 40 Prozent der Nutzungszeit. In den verbleibenden 20 Prozent Nutzungszeit darf der Kreativunternehmer Reinhard Wiesemann für sein (Mit-)Investment mit der Nutzung des Gebäudes als „Eventlocation“ für Feiern, Kongresse und Tagungen, Ausstellungen und Konzerte privatwirtschaftliche Gewinne erwirtschaften.

Besonderheiten | Erfahrungen

Nach der Sanierung und Umgestaltung ist das denkmalgeschützte Kirchengebäude heute eine Versammlungsstätte, die in vielfältiger Weise als Veranstaltungsraum genutzt wird, ohne die ursprüngliche kirchliche Nutzung aufzugeben. Es funktioniert mit dieser Nutzungserweiterung als städtischer Ort der Begegnung und des Dialogs, der Kultur, des Feierns, der Erinnerung und des Glaubens. Die Stadt Essen hat hier in einem alten Gebäude ein neues Zentrum erhalten, dessen Impulse in die nördliche Innenstadt, die Gesamtstadt und darüber hinaus ausstrahlen.

Dies wurde möglich durch eine nicht einfach zu entwickelnde und lange geplante Kombination von kirchlichem, bürgerschaftlichem und privatwirtschaftlichem Engagement. Das Ergebnis zeigt, dass sich die lange Planungszeit lohnt und ungewöhnliche Kombinationen von Partnern in der Lage sind, Kirchengebäude sinnvoll zu erhalten und zu betreiben. Die Kreuzeskirche ist und bleibt dabei weiterhin eine Gottesdienststätte der Kirchengemeinde mit Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen, Amtshandlungen, Andachten, Schulgottesdiensten etc. Dieses Projekt macht somit ebenso deutlich, dass Kirchengemeinden auch ohne Eigentümerschaft am Gebäude Gottesdienste und kirchliche Angebote vor Ort anbieten können.

Neben dem erhaltenen und neu geschaffenen kirchlichen, kulturellen und sozialen Nutzen entwickelte sich hier außerdem in gestalterischer Hinsicht eine interessante und überzeugende Auseinandersetzung mit einem Kirchengebäude. Dies würdigte beispielsweise der Architekturpreis der Evangelischen Kirche im Rheinland mit dem Sonderpreis der Wilhelm-Schrader-Stiftung, den das Projekt 2015 erhielt.

Jörg Beste, synergon Köln

Siehe auch:

Forum Kreuzkirche Essen e.V.

Weitere Informationen zum Projekt:

http://www.kreuzeskirche.de/