- Ort
- 45237 Essen, Meybuschhof 9
- Ursprüngliche Nutzung
- katholische Pfarrkirche
- Neue Nutzung
- Kunstraum Heilig Geist
- Gebäude
- 1955–1957 erbaut, Architektur: Dominikus & Gottfried Böhm | 2017 Beschluss zur Aufgabe des Kirchenstandortes | 2019 Schließung des Kirchengebäudes | 2024 Beginn der Umbauarbeiten | 2025 Eröffnung des neuen Kunstraumes
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die ehemalige katholische Pfarrkirche Heilig Geist liegt im nord-östlichen Essener Stadtviertel Katernberg. Essen-Katernberg befindet sich direkt am Übergang zu Gelsenkirchen und ist geprägt von der Vergangenheit als Zechengebiet. Durch die Schließung der Zeche Zollverein und der Transformation des ehemaligen Industriegeländes zu einer Kulturlandschaft ist Katernberg zu einem sehr lebendigen Stadtviertel geworden, in dem Menschen verschiedener Kulturen leben, in dem es aber auch viele soziale Probleme gibt.
Das ehemalige Kirchengebäude befindet sich im westlichen Teil Katernbergs in unmittelbarer Nähe zum Gelände des Welterbes Zollverein, auf dem in unterschiedlichen ehemaligen Zechengebäude Kultur- und Bildungseinrichtungen untergebracht sind. Die umgebende Bebauung ist von gemischter Wohnnutzung geprägt, in Sichtweite befindet sich zudem eine Moschee. Östlich des Gebäudes befinden sich fußläufig ein regionaler Bahnhof sowie eine Straßenbahnanbindung.
Gebäude | Bauform
Bei der Heilig-Geist-Kirche handelt es sich um ein herausragendes Beispiel für den Sakralbau der Nachkriegsmoderne, weshalb das Gebäude seit 2019 auf der Liste der geschützten Baudenkmäler der Stadt Essen steht. Der Entwurf stammt von den bekannten Architekten Dominikus und Gottfried Böhm, die als Vater und Sohn den Bau gemeinsam geplant haben. Dominikus Böhm verstarb während den Bauarbeiten, so dass Gottfried den Bau allein zu Ende führte.
Dem Gebäude liegt die Grundidee der Gemeinde als Nomadenvolk zu Grunde. Ausgehend davon hat Böhm die markant gewölbte Dachform des Mittelschiffes entwickelt, die an ein Zeltdach aus fallendem Stoff erinnert und prägend für die Außen- und Innenwirkung ist.
Generell ist das Bauwerk durch eine klare geometrische Formensprache, den Verzicht auf Ornamentik und die Fokussierung auf Materialwahl und konstruktiv-ästhetischer Detailausbildung gezeichnet. Es ist eines der ersten Sakralgebäude der Nachkriegszeit, in dem konsequent Beton als konstruktives und raumprägendes Element eingesetzt wurde.
Auch im Inneren bilden die bewusste liturgische Neuerung in Verbindung mit der klaren Form- und Materialsprache die Raumwirkung. Boden und Seitenwände schaffen durch die Farbigkeit und Haptik des roten Ziegelsteins die Basis für den aufsteigenden Raum, der nach oben durch die gerasterte Verglasung, die sich klar an der damaligen umgebenden Industriebebauung orientiert, hell und offen wird.
Die A-förmigen Betonträger bilden die Tragstruktur aus und trennen das hohe Mittelschiff von den niedrigen Seitenschiffen ab. Im hinteren Bereich des Mittelschiffes befindet sich die durch einige Stufen heruntergesetzte ehemalige Unterkirche. Diese wurde als Werktagskirche genutzt. Zudem befand sich hier die Orgel und auch der Chor wurde dort während der Gottesdienste platziert, sodass sich der Klang über die gewölbte Decke gleichmäßig im gesamten Kirchenraum verteilte.
Der Altarbereich befindet sich zentral im Mittelschiff, wodurch sich die Gemeinde halbkreisförmig um den Pastor gruppierte. Durch diese Anordnung wurden die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Gemeinde und den Pastor als Gemeinschaft zu verstehen, bereits räumlich vorweggenommen.
Direkt neben dem Kirchengebäude befindet sich das ehemalige Gemeindehaus mit angrenzender Kindertagesstätte, welches ebenfalls unter Denkmalschutz steht.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
Durch den industriellen Aufschwung in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zogen viele neue Menschen in die Umgebung der Zeche in Katernberg, wodurch die katholische Gemeinde schnell wuchs. Um für die Arbeiter der Zeche und deren Familien die regelmäßige Teilnahme an Messen zu ermöglichen, wurde der Bau der Heilig-Geist-Kirche in direkter Nähe zur Zeche und zum Arbeiter-Wohnviertel bereits Anfang der 1950er Jahre beschlossen.
In den folgenden Jahrzehnten diente das Sakralgebäude lange als Hauptstandort für die Gemeinde und wurde schnell um ein Gemeindezentrum, eine Kindertagesstätte und Wohnhäuser erweitert. So entwickelte sich Heilig Geist auch zum sozialen Fixpunkt für das Umfeld.
Mit der endgültigen Schließung der Zeche Zollverein 1986 hat sich vor Ort ein Strukturwandel ergeben. Es folgten teils hohe Arbeitslosigkeit sowie Perspektivlosigkeit und die katholische Gemeinde wurde immer kleiner.
Im Jahr 2020 während der Coronapandemie wurde das Kirchengebäude geschlossen und danach nie wieder für die Gemeinde geöffnet.
Prozess | Beteiligte
Nach dem internen Beschluss der Pfarrei, das Kirchengebäude für die Gemeindearbeit aufzugeben, wurde nach einem Investor gesucht, der das denkmalgeschützte Gebäude übernehmen und für das Umfeld durch ein neues Nutzungskonzept wieder öffnen wollte.
Bei der Suche wurde auch die Einbeziehung des Kirchengebäudes in die Kulturstätte des Welterbes Zollverein mitgedacht. Schließlich fand sich ein Kunstunternehmer aus Berlin, der das Gebäude samt Gemeindehaus und Kindertagesstätte gekauft hat. Im Zuge dieses Transformationsprozesses zeigte Baukultur Nordrhein-Westfalen im September 2024 die Ausstellung „Kirchen als Vierte Orte“ in der Heilig Geist Kirche. Sie stellte eine Brücke dar, in dem sie ermöglichte, den ehemaligen Gemeindemitgliedern, Abschied des Gebäudes als Gotteshaus zu nehmen und den Aufbruch in die neue Nutzung mitzuverfolgen.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Nach kurzer Umbauzeit wurde das ehemalige Kirchengebäude im April 2025 als „Kunstraum Heilig Geist“ nach fünfjähriger Schließung eröffnet. Es finden dort nun wechselnde Kunstausstellungen zeitgenössischer Kunst statt, der Eintritt ist frei. Das Besondere des Konzeptes ist die Verbindung von namhaften internationalen Kunstschaffenden mit lokalen Initiativen aus Essen und dem direkten Umfeld, die abwechselnd und teilweise auch gemeinsam den Kirchenraum bespielen. Zudem ist eine Kooperation mit der Stiftung Zollverein entstanden, um den „Kunstraum Heilig Geist“ mit dem angrenzenden Welterbe zu verbinden.
Das Gemeindehaus wird aktuell zu Künstlerateliers umgebaut, in denen lokalen Künstler*innen, zum Beispiel von der Folkwang Hochschule, arbeiten sollen.
Der Umbau nach Plänen der Architektin Claudia Dahm und des Innenarchitekten Felix Hemmers hat die ursprüngliche Raumstruktur größtenteils erhalten können. Gezielte, behutsame Eingriffe haben den Raum fast wie selbstverständlich weitergebaut. Die Ziegelwände wurden innenseitig mit einer reversiblen, weißen Schlämme belegt, um die Hängung von Kunst zu ermöglichen. Außerdem bleibt dadurch die besondere Haptik des Materials erfahrbar. Einbauten, wie die Orgelempore oder die Stehleuchten in der Unterkirsche, wurden zurückgebaut und die Flächen im Sinne der Ursprungsarchitektur und in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz beigearbeitet. Besonders prägend für den Innenraum war der Rückbau der bunten Glasscheiben, die in den 1980er Jahren von der Gemeinde vor die klare Ursprungsverglasung gesetzt wurden. Seit dem Rückbau erstrahlt der Raum wieder in einer besonderen Helligkeit.
Besonderheiten | Erfahrungen
Die Etablierung des „Kunstraum Heilig Geist“ in der gleichnamigen ehemaligen Kirche zeigt eindrücklich, wie leerstehende Kirchengebäude durch neue Nutzungskonzepte wieder zu Orten des Austausches im Quartier werden können. Der behutsame Umbau des Bestandsraumes erhält dessen besondere räumliche Qualitäten und ermöglicht die flexible Nutzung für unterschiedliche Kunstausstellungen. In Verbindung mit dem angrenzenden Welterbe Zeche Zollverein entsteht ein Raum, der zeitgenössische Kunst mit lokalen Initiativen verbindet und den Ort für die Menschen der Umgebung wieder öffnet.
Plastisch sichtbar wird dies in einer Skulptur des belgischen Künstlers Kris Martin, die aus dem Marmor des ehemaligen Altares hergestellt wurde und nun im Außenraum vor der Kirche ein sichtbares Zeichen der Verbindung von Vergangenheit und Zukunft erzeugt.