Trotz der zahlreichen Kirchenschließungen stehen die meisten Betroffenen zum ersten Mal vor der Frage, wie Kirchen an die veränderte Nachfrage angepasst oder sogar auf andere Weise genutzt werden können. Dabei erfahren sie oftmals, dass die Neuorientierung von Kirchengebäuden sowohl in kirchlicher, sozialer als auch baukultureller Hinsicht schwierig ist. In Nordrhein-Westfalen bestehen zwar fundierte Erfahrungen mit der Konversion von Flächen und Gebäuden, insbesondere mit der Umnutzung baukulturell wichtiger Industriegebäude. Mit den Kirchengebäuden ist aber nun ein Gebäudetypus unter Veränderungsdruck geraten, auf den die bereits erarbeiteten Erfahrungen nicht einfach übertragen werden können.
Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Zu nennen sind hier insbesondere folgende Aspekte:
• Die besondere architektonische und städtebauliche Qualität und Ausprägung von Kirchen bedingt, dass sich auf diese Gebäude nicht ohne weiteres Erfahrungen aus anderen Bauaufgaben übertragen lassen. • Adäquate und nachhaltig tragfähige Nutzungen für die großen, offenen Räume zu finden, ist nicht immer leicht. • Der hohe symbolische und emotionale Wert von Kirchen erfordert einen besonders sensiblen Umgang mit den Gebäuden. • Die große emotionale Identifikation mit den Gebäuden hat häufig bürgerschaftliches Engagement bei Neunutzungsplanungen zur Folge. • Allerdings werden hierbei auch sehr unterschiedliche Interessen von vielen verschiedenen Beteiligten angemeldet und eingebracht. • Eine Besonderheit bei der baulichen Anpassung oder Umnutzung von Kirchen liegt darin, dass nicht nur baurechtliche, sondern auch kirchenrechtliche Bestimmungen berücksichtigt werden müssen. • Insgesamt sind bei der großen Vielfalt der Gebäude keine Standardlösungen möglich.
Neben den Herausforderungen und Schwierigkeiten bietet eine Neunutzung von Kirchengebäuden fast immer auch erhebliche Chancen für das jeweilige soziale und bauliche Umfeld. Dabei ist eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreiche Neuorientierungsprozesse in Nordrhein-Westfalen häufig eine engagierte, vertrauensvolle und kompromissfähige Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Vertretern der Kirchen und der Kommunen vor Ort. Hierdurch können interessante Gebäudeanpassungen entstehen, wie sie in der Geschichte des Kirchenbaus zu allen Zeiten immer wieder vorgenommen worden sind.
Bei einigen bisherigen Projekten hat die gemeinsame Arbeit Kräfte geweckt, und die Ergebnisse haben mitunter sogar die Arbeit der Kirchengemeinden gestärkt trotz einer Aufgabe vormaliger Nutzungen. Das soziale und bauliche Umfeld dieser Projekte wurde durch die Neunutzungen zum Teil auf mehrfache Weise positiv beeinflusst. In diesen Fällen wurde belegt, dass mit Einsatz, Kreativität und Engagement aus schwierigen Situationen Chancen für positive Veränderungen entwickelt werden können:
Jörg Beste, synergon Köln