Projekt

Heilig Kreuz | Öffentlicher Veranstaltungsort

Gelsenkirchen
Ort
45886 Gelsenkirchen, Bochumer Straße 111
Ursprüngliche Nutzung
Pfarrkirche und Gemeindezentrum der Katholischen Pfarrei St. Augustinus und der Gemeinde St. Josef; Bistum Essen
Neue Nutzung
in Planung/Umsetzung: Veranstaltungsort, Kindertagesstätte und Wohnen
Gebäude
1927–1929 erbaut, Architekt: Josef Franke (1876–1944), Gelsenkirchen | seit September 2007 ohne sakrale Nutzung | seit 2007 Planungen für verschiedene Umnutzungen | seit 2009 eingebunden in einen strategischen Masterplan „Bochumer Straße“ zur Stadterneuerung des Quartiers mit Umnutzung von Anbauten und bauliche Ergänzungen | 2015 VOF-Verhandlungsverfahren, Zuschlag: pbs architekten, Aachen | 2017 Verkauf des Kirchengebäudes an die Stadt Gelsenkirchen | ab 2018 Umsetzung durch pbs architekten, Aachen | 2020/2021 geplante Eröffnung
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Der Stadtteil Ückendorf liegt am südöstlichen Rand des Gelsenkirchener Stadtgebiets in der Nähe zu Zentrum und Hauptbahnhof. Er entstand ab ca. 1860 mit der Eröffnung großer Zechen. Die Umgebung der Kirche besteht aus einer Mischung von gründerzeitlicher Blockrandbebauung mit Gewerbehöfen und aufgelockerten Arbeitersiedlungen sowie dem Komplex des heutigen Wissenschaftsparks auf dem ehemaligen Areal der Zeche Rheinelbe. Durch Bergschäden und jahrelange Vernachlässigung sind viele Gebäude im Umfeld stark sanierungsbedürftig bis abrissgefährdet.

Das Kirchengebäude aus dunklem Klinkermauerwerk ist mit flankierenden Flügelbauten aus der Straßenflucht tief in den Blockbereich zurückgesetzt. Ein Gebäudeflügel ist zeitgenössisch, ein entsprechender Flügel aus ähnlichem Baumaterial stammt aus der Nachkriegszeit. An der Südwestseite entsteht so ein tiefer Vorplatz vor der Kirche. Die monumentale Straßenfassade der Kirche besteht aus zwei eng stehenden Glockentürmen über einem hohen, parabelförmigen Mittelportal, die eine gewaltige Kruzifixfigur aus gleichem Material baulich verbindet. Diese Figur bildet mit dem hoch aufragenden Kirchenschiff eine aus mehreren Straßenachsen sichtbare städtebauliche Dominante. Die Rückseite des Gebäudes ist nach Nordosten zu einer Ecke des dreieckigen Baublocks und einer Straßenmündung hin orientiert. Hier ist eine zweite, kubische Schaufassade mit einem turmartigen Aufsatz über dem Altarbereich und einem großen Kreuzrelief in der Ziegelfassade ausgebildet.

Gebäude | Bauform

Heilig Kreuz ist eine der bedeutendsten Kirchen der frühen Moderne in Deutschland. Die Kirche ist ein Hauptwerk des Backsteinexpressionismus und somit ein Gebäude von herausragender, überregionaler Architekturqualität. Das in dunklen Backsteinen sehr kubisch gehaltene Äußere des Gebäudes erinnert (ohne die christlichen Zierelemente) an Fabrik- oder Kraftwerksgebäude. Im starken Gegensatz zu diesem dunkel massiven äußeren Eindruck steht der mit großen, rechteckigen Buntglasfenstern in parabelförmigen Laibungen belichtete Innenraum. Dieser wirkt mit seiner ebenfalls parabelförmigen Tonnendeckungund einer sehr farbigen Ausmalung überraschend schwungvoll. Der rechteckig und turmartig nach oben über das Langhaus geführte Altarbereich erhält Licht aus weit oben liegenden, vom Langhaus aus nicht sichtbaren Fenstern. Alle originalen Ausstattungselemente sind dem Anspruch des Gesamtgebäudes entsprechend gestaltet.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Aufgrund seiner Monumentalität und Dominanz sowie seines Bekanntheitsgrades hat das Gebäude einen hohen Identifikationswert für den Stadtteil. Mit ihrer architektur- und kunstgeschichtlichen Sonderstellung hat diese Kirche aber auch für die Gesamtstadt Gelsenkirchen den Charakter eines Wahrzeichens und als Anziehungspunkt für Kultur- und Architekturtourismus eine Wirkung über die Grenzen der Stadt hinaus.

Durch Wegfall der Industrie- und Bergbauarbeitsplätze entstanden mit dem Strukturwandel verbundene soziale Probleme in dem alten Arbeiterstadtteil. Ückendorf ist Teil des Stadterneuerungsgebietes Gelsenkirchen-Südost und wurde in das Förderprogramm „Soziale Stadt“ aufgenommen. Mit einem strategischen Masterplan wurden seit ca. 2009 neue Konzepte zur Strukturpolitik für das Quartier Bochumer Straße entwickelt und schrittweise umgesetzt.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

Heilig Kreuz wurde aus Bistumssicht nicht mehr für die Gemeindearbeit benötigt, da die katholische Bevölkerung im Stadtteil immer stärker abgenommen hatte. Nach der Entscheidung des Bistums Essen, diese Kirche aufzugeben, gründete sich ein Förderverein für den Erhalt des Gebäudes. Aufgrund der starken Identifikationswirkung ist die Kirche auch in der Bürgergemeinde der Gesamtstadt präsent. Mehrjährige Zwischennutzungen des Gebäudes mit Ausstellungen hielten die Kirche zeitweilig offen und schufen so ein Zeitfenster zur Entwicklung von Nutzungskonzepten.

Prozess | Beteiligte

Die frühe Projektplanung bearbeitete eine Arbeitsgruppe, an der Vertreter von Kirchengemeinde, Bistum, Stadtplanung, Wissenschaftspark, Landesinitiative StadtBauKultur NRW und Förderverein beteiligt waren. Federführend wurde das Projekt betreut durch das kommunale Stadtteilbüro Südost, das die Umsetzung der Strukturplanungen begleitet. Die von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Projektideen für kulturelle Nutzung ließen sich zunächst vor dem Hintergrund der Gelsenkirchener Haushaltslage nicht weiterverfolgen. In einem zweiten Schritt wurde ein Projektentwickler mit einem Architekten hinzugezogen, um die Bausubstanz und die Nutzungsmöglichkeiten von Kirche und Nebengebäuden zu untersuchen und voranzutreiben. Mit dem Wissenschaftspark wurden Ideen in Richtung eines Veranstaltungsortes entwickelt. Für die Nutzung des Grundstücksbereichs des ehemaligen Pfarrheims wurde ein Investorenwettbewerb durchgeführt.
2015 wurde ein Verhandlungsverfahren für das Nutzungskonzept der Kirche als kommunaler Veranstaltungsraum durchgeführt, das pbs architektenaus Aachen gewannen. Die anschließend entwickelte und eng mit der Denkmalpflege abgestimmte Planung wird seit 2018 umgesetzt und soll 2020/2021 mit einer Nutzung abschließen.
Ein Verhandlungsverfahren für das Nutzungskonzept der Kirche als einen kommunalen Veranstaltungsraum wurde 2015 durchgeführt und von pbs architekten aus Aachen gewonnen. Die anschließend entwickelte und eng mit der Denkmalpflege abgestimmte Planung wird seit 2018 umgesetzt und soll 2020/21 mit einer Nutzung abschließen.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Das Programmgebiet „Stadtumbau West/Soziale Stadt Südost“ verfolgt mit den strukturpolitischen Maßnahmen „Strategischer Masterplan/Städtebauliche Sanierungsmaßnahme Quartier Bochumer Straße“ städtebauliche Aufwertungen durch Bündelung und Einsatz verschiedener neuer und bewährter Instrumente. Strategische Zielsetzungen hierfür sind unter anderem die Weiterentwicklung des Ensembles Heilig Kreuz zu einem neuen Veranstaltungszentrum mit der Vernetzung verschiedener Einrichtungen und als Ergänzung des Wissenschaftsparks Rheinelbe mit zusätzlichen Raumangeboten. Durch Immobilienankauf strebt die Stadt Umfeldverbesserungsmaßnahmen für ein qualitätvolles Wohnungsangebot an. Die Weiterentwicklung eines Verbunds verschiedener Bildungseinrichtungen und Bemühungen, die Bochumer Straße als kreativwirtschaftlichen Standort zu entwickeln, sind weitere Maßnahmen. In diesem Zusammenhang steht auch der Bau einer Kindertagesstätte mit zusätzlicher Wohnnutzung anstelle des ehemaligen Pfarrheimes. Als Folgenutzung für die Kirche wurde in Abstimmung mit städtischen Gesellschaften und dem Wissenschaftspark ein Ort für Veranstaltungen der Stadt sowie für Kultur und Wissenschaft geplant.

Das Konzept sieht eine Nutzung in Regie der kommunalen Stadtwerke-Tochter emschertainment vor, die als Agentur für Gastronomie- und Veranstaltungsmanagement bereits mehrere Orte in Gelsenkirchen bespielt, wie beispielsweise das Hans-Sachs-Haus. Das ehemalige Kirchengebäude soll nun 150 bis 200 Tage im Jahr als die „gute Stube“ der Stadt genutzt werden für Tagungen, Kongresse (unter anderem als großes Plenum für den Wissenschaftspark) und Kulturveranstaltungen (Musik, Kleinkunst).

Besonderheiten | Erfahrungen

Der sehr lange Entwicklungsprozess für diese Kirche ist einerseits durch das Umfeld mit geringer eigener Entwicklungsdynamik und andererseits durch die enorme baukulturelle Qualität des Gebäudes bedingt. Im Fall dieser Kirche konnten nur Nutzungen infrage kommen, die in der Lage sind, den Gesamtraum und seine beeindruckende Atmosphäre zu erhalten. Dies sind in der Regel öffentliche Nutzungen, die bei der Finanzlage vieler nordrhein-westfälischer Kommunen nur schwer zu realisieren sind. Nur durch die Bündelung verschiedener Maßnahmen und Fördermöglichkeiten sowie der Potenziale aus dem Umfeld konnte hier ein nachhaltig tragfähiges Konzept für die Nutzung als neues Veranstaltungszentrum entstehen. Bemerkenswert ist die strategische Stadtentwicklungsplanung und die Ausdauer, mit der die Stadt Gelsenkirchen mit ihren Partnern dieses Ziel über ein Jahrzehnt verfolgt hat.

Jörg Beste, synergon Köln

Siehe auch:

Baukunst NRW

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.kreativquartier-ueckendorf.de/orte-details/heilig_kreuz_kirche.html