- Ort
- Amalienstraße 21a, 44137 Dortmund
- Ursprüngliche Nutzung
- Filialkirche des Erzbistums Paderborn
- Neue Nutzung
- Grabeskirche, Kolumbarium
- Gebäude
- 1881-1883 erbaut, Architekt: Friedrich von Schmidt (1825-1891), Köln und Wien | 2009 teilprofaniert | 2008-2011 Umnutzung zum Kolumbarium „Grabeskirche Liebfrauen", Architekten: Staab Architekten, Berlin; Ingenieure: Schriek & Rohrberg, Lippstadt
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die Liebfrauenkirche befindet sich im Westen der Dortmunder Innenstadt. In nur wenigen Fußminuten ist sie von der Haupt-Fußgängerzone zu erreichen. Städtebaulich markiert die Liebfrauenkirche den Übergang zwischen dem großen Gelände des St. Johannes Krankenhauses zu der Blockartigen Wohn- und Geschäftsbebauung des Westviertels. Durch die östliche Einfassung der Kirche von mehreren Krankenhaus-Gebäuden bildet die Liebfrauenkirche keinen zentralen Platz aus und nimmt sich aus dem Straßenbild zurück. Lediglich der 72m hohe Kirchturm lässt die Präsenz des Sakralbaus aus einiger Entfernung erahnen. Gegenüber der Kirche befinden sich verschiedene kirchliche und soziale Einrichtungen sowie ein großer Spielplatz.
Gebäude | Bauform
Die Kirche wurde vom renommierten Wiener Architekten Friedrich von Schmidt geplant, welcher durch die Errichtung vieler Sakralgebäude in Deutschland und Österreich maßgeblich an der Verbreitung des neugotischen Stils beteiligt war. Auch die Dortmunder Liebfrauenkirche ist dementsprechend als neugotischer Sakralbau konzipiert worden.
Es handelt sich um eine dreischiffige Hallenkirche, ein abgestufter Chor bildet den Abschluss zur Ostseite aus. Das Langhaus ist deutlich höher als die Seitenschiffe ausgebildet. Prägend ist der Einsatz der gebrannten Ziegel im Bereich der Außenwände, welche dem Gebäude ein rötlich schimmerndes Aussehen verleihen. Unterbrochen wird der Ziegel durch Einfassungen, Maßwerk und Kunstverzierungen, welche sich in Form eines hellen Sandsteines von der Fassade absetzen. Auch im Innenraum wurde überwiegend heller Sandstein verwendet.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
Die römisch-katholische Liebfrauenkirche wurde von 1881 bis 1883 errichtet. Grund für den Neubau war die durch die Industrialisierung stark ansteigende Bevölkerungszahl der Stadt Dortmund. Damals lag das Kirchengrundstück noch außerhalb der Stadtmauern und der Neubau legte so buchstäblich den Grundstein für die folgende Erweiterung der Stadt Dortmund.
Während des zweiten Weltkrieges wurde die Kirche durch Bombenangriffe komplett zerstört. Lediglich Teile der Seitenwände blieben stehen, welche im Zuge der Neuerrichtung aus statischen Gründen allerdings nicht erhalten werden konnten. Der Wiederaufbau startete bereits im Jahr 1947, allerdings nicht nach genauem historischem Vorbild. Die erste Messe wurde bereits im Frühjahr 1949 gehalten.
Aufgrund rückläufiger Gemeindemitglieder und der Notwendigkeit von umfangreichen Sanierungen wurde die Liebfrauenkirche 2008 außer Dienst gestellt und es wurde nach einer neuen Nutzung gesucht. Sie wurde schließlich teilprofaniert und wird seit 2011 als Kolumbarium für Urnenbeisetzungen genutzt.
Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde
Die Motivation des Bistums Essen bei der Umnutzung der Liebfrauenkirche war es, die Kirche der örtlichen Gemeinde zu erhalten. Es wurde daher eine kirchennahe Umnutzung gesucht, die die Kirche als Ort der Gemeinde erhält. Die Entscheidung fiel schließlich auf die Nutzung als Urnengrabstätte. Die Beerdigung in einer Kirche ist aus historischer Sicht durchaus üblich. Durch die Verbindung zwischen Tot und Auferstehung wurde die Kirche als Ort für die letzte Ruhestätte gewählt. Diese historische Tradition wurde im Zuge der Umnutzung der Liebfrauenkirche aufgegriffen.
Prozess | Beteiligte
Die Umsetzung erfolgte in Form eines Architektenwettbewerbes, bei dem unterschiedliche Büros Vorschläge zu Struktur und Gestaltung der Urnengrabstätten gemacht haben. Wichtig war dem Bistum bei der Umsetzung, dass die Verstorbenen weiterhin als Teil der Gemeinschaft gesehen werden können. Der siegreiche Entwurf des Berliner Architekten Volker Staab interpretiert die Urnenbereiche dafür in abstrahierter Form als Kirchenbänke, die einen Kontakt zwischen Besucher und Verstorbenem ermöglichen.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Die Neukonzeption des Innenraums behält den ursprünglichen Raumeindruck bei. Die Urnen werden in kubischen Blöcken aufbewahrt, welche sich flach am Boden auf Sitzhöhe befinden. Der hohe Kirchenraum bleibt dadurch ganzheitlich erlebbar. Die Kuben umschließen die freistehenden Säulen und bilden dadurch fast schlangenartig verschiedene Zonen aus. Die Urnenmöbel sowie das gesamte Bodenfeld bestehen aus dunkler Baubronze und schaffen dadurch einen starken atmosphärischen Kontrast zum hellen Sandstein. Oben auf den Kuben, in welchen die Urnen in einzelnen Kammern untergebracht sind, befindet sich eine ebenfalls bronzene Gedenktafel, auf welcher die Angehörigen ein Licht sowie Blumen platzieren können.
Im ehemaligen Chorbereich befindet sich nun eine kleine Trauerkapelle. Die Sitzbänke sowie die Prinzipalstücke wurden aus hellem Eichenholz gefertigt. Auch hier zeigt sich wieder der Kontrast zwischen dunklem, schwer anmutendem Urnenbereich und dem hellen Charakter der Holzmöbel. Dieser baulich manifestierte Gegensatz zeigt einerseits den Kontrast zwischen Bestand und Neubau, andererseits aber auch den Bruch zwischen Leben und Tot.
Besonderheiten | Erfahrungen
Die Grabeskirche Liebfrauen in Dortmund ist ein gutes Beispiel für eine gemeindenahe Umnutzung eines Kirchengebäudes. Das Gebäude ist weiterhin öffentlich zugänglich und dient nun als Ort der Trauer und Andacht.
Zudem zeigt diese Umnutzung beispielhaft, wie ein gezielter Architektenwettbewerb mit klarer Nutzungsvorstellung zu einer innovativen und gleichzeitig dem Raum angemessenen baulichen und strukturellen Umnutzung eines Sakralgebäudes führen kann.
Felix Hemmers, studiohemmers