- Ort
- Friedensstraße 91, 52351 Düren
- Ursprüngliche Nutzung
- Kirche des Bistums Aachen
- Neue Nutzung
- Kindertagesstätte und Gemeindehaus
- Gebäude
- 1921-1922 erbaut, Architekt: k. A. | 1951-1953 neu erbaut, Architekt: Albert Boßlet (1880–1957) | 2017 entwidmet | 2018 Umbau, Architekten: LP 1-4: Achim Schmitz und Martin Heerich von Hypothese Architekten, Düsseldorf; Architekten LP 5-9: Marcus Laufenberg, Düren
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Das geostete Kirchengebäude befindet sich in Düren Ost an der Ecke Friedensstraße und „An St. Bonifatius“. In der Umgebung befindet sich ein öffentlicher Friedhof, die Katholische Stiftung „Haus St. Josef“ und die Kinder- und Jugendhilfe. Die Kirche selbst ist nun ein Kindergarten.
Gebäude | Bauform
Die ehemalige Pfarrkirche entstand als Ersatzbau für die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kirche von 1921 und wurde im Stil der Nachkriegsmoderne in verputzter Skelettbauweise errichtet. Die Hallen- und Wegkirche hat eine basilikale und symmetrische Bauform mit einer Lichtführung durch vertikale Fensterbänder. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und wurde bis zu seinem Umbau nur wenig verändert.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
St. Bonifatius wurde vom Würzburger Architekten Albert Boßlet geplant und umgesetzt, dessen Haupt-Schaffensperiode in den 1930er Jahren lag. Trotz seiner vergleichsweise wenigen Kirchenbauprojekte in der Nachkriegszeit gelingt es ihm mit St. Bonifatius 1952 die erste Fertigstellung eines Kirchenneubaus im Rheinland. Der Bau entstand parallel zum Bau der Anna-Kirche von Rudolf Schwarz. Er ist neben dieser und weiterer Kirchenbauten der Zeit ein spannendes Referenzobjekt in Düren.
Mit St. Bonifatius versucht Boßlet an die Architektur der Nachkriegsmoderne anzuknüpfen. Dabei übernimmt er moderne Stilelemente und Bautechniken. Er begründet dies 1952 mit der Ressourcenknappheit der Zeit: „die Anwendung der neuen technischen Errungenschaften beim Kirchenbau dient bei uns in erster Linie den Bau zu verbilligen.“ (Boßlet 1952)
Tatsächlich präsentiert sich sein Neubau weitaus reduzierter und sachlicher als seine Vorkriegsbauten, die vom Ausdruck viel deutlicher dem zeittypischen Ideal der Romanik im Kirchenbau der 1930er Jahre verpflichtet sind. Dagegen erscheint das Innere von St. Bonifatius nun als ein heller, weißer Kirchenraum, der seinen Raumabschluss im Chor, in einer schlichten weißen geschlossenen Wand findet. Weißer Putz, schlanke Stützen in Sichtbeton und sachliche vertikale Fensterbänder, ausgeführt als einfache Industrieverglasung, prägen die Architektur.
Trotz dieser deutlichen modernen Zitate spürt man in Bezug auf die Gliederung der Baukörper ein eher konservatives Liturgieverständnis. Die strenge axiale und symmetrische Ausrichtung des Baus ist schon von außen durch das monumentale, dreiteilige Portal zu erahnen. Das Kirchenschiff wird von einer leicht gewölbten blauen Decke aus Rabitz-Putz überspannt. Die etwas niedrigeren Seitenschiffe sind vom Hauptschiff durch eine Stützenreihe abgetrennt, und der durch einen angedeuteten Rundbogen abgesetzte Chor ist gegenüber dem Kirchenschiff leicht erhöht.
Die in Boßlets Architektur der Vorkriegszeit kraftvoll inszenierten Stilelemente sind somit auch noch im Bau der Kirche St. Bonifatius ablesbar. Sie werden jedoch zugunsten der intendierten modernen Leichtigkeit wesentlich dezenter eingesetzt. Aus architektonischer Sicht erinnert St. Bonifatius an den Versuch einer modernen Interpretation einer klassischen Wegkirche.
Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde
Der vormals als Pfarrkirche genutzte Bau wurde im Januar 2017 entwidmet und bis zu seinem Umbau nicht genutzt.
Prozess | Beteiligte
Wie viele Kirchengemeinden in Deutschland sah sich auch die Pfarre St. Lukas in Düren (Eigentümerin der Kirche St. Bonifatius) mit einer rückläufigen Zahl an Gemeindemitgliedern konfrontiert und musste sich infolgedessen der Frage stellen, wie sie in ihrem Einzugsgebiet auf den abnehmenden Bedarf an „Kirchenraum“ reagiert. Damit einher ging die Zusammenlegung der Dürener Kirchengemeinden zur neuen Pfarre St. Lukas und die Entscheidung die Kirche St. Bonifatius einer neuen angemessenen Nutzung zuzuführen. (KIM-Prozess im Bistum Aachen ausschlaggebend)
Infolgedessen sah sich die Pfarre vor folgenden Fragestellungen:
• Wie geht sie als verantwortliche Pfarre mit der Kirche St. Bonifatius um, ohne ihren verbliebenen Mitgliedern das Zentrum des gemeindlichen Lebens sowie ihre sozialen Kontakte zu nehmen?
• Wie geht sie verantwortlich mit der „Immobilie Kirchenbauwerk“ um, das auf Grund seiner Bausubstanz einen Wert an sich darstellt und unterhalten werden muss?
• Wie erhält sie das Gebäude im Stil der frühen Nachkriegsmoderne?
Darüber hinaus prägt St. Bonifatius wie viele andere Kirchen den öffentlichen Raum und ist Identifikationspunkt für Stadtteil- und Quartiersbewohner, d.h. auch für Nicht-Gemeindemitglieder.
Vor diese Herausforderungen gestellt und ihrer Verantwortung bewusst, entwickelt die Pfarre St. Lukas zurzeit mit „hypothese architekten“ ein tragfähiges Umnutzungskonzept. Seit Beginn der Planungsarbeit sind Vertreterinnen und Vertreter der Kirchengemeinde, der Oberen- und Unteren Denkmalbehörde der Stadt Köln und die Betreiber beteiligt gewesen.
Nutzungskonzept | Neunutzung
In den Kirchenraum wurden für die Nutzung als Kindergarten drei neue Baukörper eingefügt, die sich als eigenständiges Ensemble klarer Volumen durch eine kontrastierende Materialsprache vom Bestand abheben (insbesondere durch die Schattenfugen der Verkleidung als Holz-Lamellenschalung). Im Bereich der Chorebene und der Orgelempore rücken diese von den Bestandswänden und Decken ab. Der Kirchenraum bleibt somit in seinen Proportionen, seiner Materialität und seiner Lichtführung weiterhin ablesbar.
Die drei Baukörper sind in ihrer Höhe gestaffelt: Vom niedrigsten Einbau unter der Orgelempore zum einem Meter höheren Einbau an der Südfassade bis zum zweigeschossigen, 6,70m hohen, würfelförmigen Einbau im Chorbereich. Dabei betonen erstere mit ihrer längs gesetzten Holz-Lamellenverschalung die Horizontale, der würfelförmige Einbau im Chor mit quer gesetzten Lamellen die Vertikale. Einen zusätzlichen Kontrast zum Baubestand bilden die anthrazitfarbenen Flächen. Die so gebildete Kette von versetzt angeordneten Baukörpern umschließt den verbleibenden Kirchenraum, der als Spielfläche beziehungsweise weiterhin zum internen Gottesdienst genutzt wird.
Der Einbau der Kita-Nutzung erfolgt niveaugleich zum Bestand. Der vorhandene Boden im Kirchenschiff wird partiell zurückgebaut und ersetzt, um die neuen Baukörper zu gründen beziehungsweise zu dämmen. Der Natursteinbelag im Chor soll im Bereich der Küche erhalten bleiben.
Der Einbau unterhalb der Orgelempore erhält in der Flucht der Mittelachse gestaffelt angeordnete Glastüren. Die historische Blick- und Wegebeziehung der Wegkirche bleibt somit weiterhin erlebbar. Zudem soll zur Betonung der Mittelachse ein Streifen des vorhandenen Natursteinbodens in einer Breite von 1,60m ausgehend vom Kirchenportal durch den Kitabereich bis zum Kirchenschiff geführt werden.
Der zentral platzierte Kubus im Chor erhält zwei außer-mittig, übereinander-angeordnete, bodentief-verglaste Türöffnungen. Mittels der beidseitigen, flächenbündig schließbaren Klappläden können diese komplett geschlossen werden (Altarrückwand / Retabel). Das mittig angeordnete Altarkreuz sowie die Beleuchtung bleiben erhalten.
Das Volumen des mittleren Baukörpers wird durch einen Anbau an der südlichen Kirchenwand nach außen erweitert. Das leichte Auskragen des Obergeschosses und das zurückversetzte anthrazitfarbene Sockelgeschoss unterstreichen seine schwebende Wirkung.
Die neuen Nutzungseinheiten der Kita werden direkt über die West-, Süd- und Ostfassade belichtet und indirekt über das verbleibende Kirchenschiff. Die vorhandenen Fensterbänder an der Südfassade werden bis auf die Höhe des Kita-Einbaus geschlossen. Die Nordfassade, an die die weiterhin genutzte Taufkapelle angeschlossen ist, bleibt unverändert. Die nach Süden ausgerichtete, vertikal gegliederte Glasfassade wird ebenso wie die innere Fassade zum Kirchenschiff als Bandfenster ausgebildet. Die äußere Fassadenverkleidung greift die Farbgebung und Teilung der inneren Holzlamellen-Fassade auf.
Besonderheiten | Erfahrungen
Die Kita wurde mit öffentlichen Mitteln finanziert.
Es wurde keine Machbarkeitsstudie oder Gebäudestrukturanalyse durchgeführt.
Nachdem in der Gemeinde heftig über die Umnutzung und Entwidmung gestritten wurde, wird das nun umgebaute Kirchengebäude sehr gut von den Mitgliedern angenommen. Der Förderverein, der ehemals den Umbau verhindern wollte, unterstützt heute das Projekt.
Der Multifunktional nutzbare Raum wird neben der Kita von der Gemeinde für Gottesdienste Gemeindeversammlungen und kulturelle Veranstaltungen, z. B. Orgelkonzerte genutzt.
Das fertige Projekt wurde vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland als ein exemplarisches Beispiel einer gelungenen Umnutzung gewürdigt.
Achim Schmitz, hypothese – achim schmitz | architektur
Bosslet, Albert: Neue Kirchenbauten von Professor Albert Bosslet. Erweiterter Sonderdruck aus „Das Münster“, Jg. 5, Heft 11/12, 1952
Brülls, Holger: Neue Dome, Berlin 1994
Hoffmann, Godehard: Düren, An St. Bonifatius 7, kath. Pfarrkirche St. Bonifatius. Gutachten gem. § 22(3),1 zum Denkmalwert gem. § 2 DSchG NW
Jöckle, Clemens: Albert Boßlet (1880–1957). Ein Kirchenbaumeister zwischen Historismus und Moderne. In: Jahrbuch des Vereins für Christliche Kunst in München, 19. Bd., 1993