Projekt

St. Franziskus | Kolumbarium

Wesel
Ort
46485 Wesel, Franziskusstraße 7
Ursprüngliche Nutzung
Pfarrkirche der Katholischen St. Nikolausgemeinde des Bistums Münster
Neue Nutzung
Urnengrabstätte der städtischen Friedhofsgesellschaft
Gebäude
1957–1959 erbaut | 1961 Fertigstellung des Kirchenvorplatzes | 2006 Zusammenschluss mehrerer lokaler Pfarreien | 2018 Profanierungsgottesdienst | 2019-2020 Umbau des Kircheninneren | 2020 Eröffnung des Kolumbariums
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die ehemals katholische Kirche St. Franziskus befindet sich im Stadtteil Schepersfeld der mittelgroßen ehemaligen Hansestadt Wesel. Das Grundstück befindet sich unweit des Stadtzentrums in der Nähe des Hauptbahnhofes. Der Stadtteil ist geprägt von einer gemischten Wohnbebauung in Form von Mehrfamilienhäusern, Reihenhaussiedlungen sowie frei stehenden Ein- und Zweifamilienhäusern. Die Kirche St. Franziskus liegt im nördlichen Bereich von Schepersfeld, der durch zwei Hauptverkehrsachsen von den dahinter beginnenden Industrie- bzw. Gewerbegebieten abgegrenzt wird.

In der direkten Umgebung ist das Kirchengebäude allseitig von Wohnbebauung in vorwiegend ein- bis zweigeschossiger Höhe umgeben. Die Ausnahme dazu bilden drei solitärartige Mehrfamilienhäuser, die fünf-geschossig ausgebaut sind.

Auch ohne den mittlerweile abgerissenen ehemaligen Kirchturm fällt St. Franziskus in dieser Umgebung noch immer eine prägende städtebauliche Wirkung zu. Dies ist vor allem durch den Vorplatz, der die einzige Freifläche in der näheren Umgebung darstellt, sowie die im Vergleich zur Umgebungsbebauung auffällige Gebäudehöhe begründet. Zudem bildet das Kirchengebäude zusammen mit dem direkt angrenzenden Kindergarten und einem Mehrgenerationenhaus samt Café den sozialen Mittelpunkt des Quartiers aus.

Gebäude | Bauform

Wie für die Nachkriegszeit typisch, wurde die Franziskuskirche hauptsächlich aus den damals vorherrschenden Materialien Backstein und Beton errichtet. Nur zwei Jahre nach Baubeginn wurde im Jahr 1959 bereits der Eröffnungsgottesdienst gefeiert. Beim Bautypus des Sakralgebäudes handelt es sich um eine schlichte Hallenkirche mit Satteldach. Die äußere Form erinnert dadurch stark an den Urtypus eines Hauses. Abgesehen von der Größe des Gebäudes lässt erst der frei stehende Kirchturm auf die Nutzung als Gotteshaus schließen.

Ein besonderer Fokus der Architektur liegt auf dem Einfall des natürlichen Tageslichtes in das Gebäude. An der westlichen Stirnseite des Gebäudes befindet sich eine großflächige, raumhohe Verglasung, die durch Betonrahmungen in vertikale Streifen unterteilt ist. Über alle fünf Elemente wurde eine Glasmalerei der Künstlerin Lucy Vollbrecht-Büschlepp realisiert. Ein zweites, raumhohes Verglasungselement in ähnlicher Ausführung befindet sich auf der Südfassade. So fällt im Innenraum gezielt seitliches Licht in den Altarbereich, dessen Rückseite gen Osten ausgerichtet und als massive steinerne Wand ohne jegliche Öffnung ausgebildet ist. Zudem ziehen sich an beiden Längsseiten der Kirche horizontale Fensterbänder entlang der Traufe. Prägend für den Innenraum ist zudem die warme Holzdecke und deren Kontrast zu den steinernen Wänden.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Aufgrund der strategisch wichtigen Lage Wesels direkt am Rhein wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Nach Kriegsende wurden Gottesdienste daher überwiegend behelfsmäßig in Schulen abgehalten und der Ruf nach neuen Kirchbauten wurde lauter. Auch die Erbauung der Kirche St. Franziskus fiel in diese Zeit. Geleitet wurde der Bau durch einen neu gegründeten lokalen Kirchbauverein. Die Kosten des Neubaus wurden größtenteils durch Spenden getragen. Die Einbindung der lokalen Bevölkerung in den Bau der Kirche war groß, dementsprechend stark verwurzelt war die Kirche in den Folgejahren in der lokalen Bevölkerung. Auch der im Laufe der 1970er Jahre errichtete Kindergarten sowie das Mutter-Kind-Heim, heute ein Mehrgenerationenhaus, haben zur sozialen Verwurzelung von St. Franziskus im Stadtteil Schepersfeld maßgeblich beigetragen.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

s.o.

Prozess | Beteiligte

Im Jahr 2006 verlor die Pfarrei aufgrund einer stark rückläufigen Zahl aktiver Gemeindemitglieder schließlich ihre Eigenständigkeit und wurde mit anderen Gemeinden zusammengeführt. St. Franziskus wurde daraufhin immer seltener für Gottesdienste genutzt, auch war die Kirche für die Zahl der Gottesdienstteilnehmenden deutlich zu groß. 2017 begannen dann im Zuge der Suche nach einer Nachnutzung des Gebäudes Gespräche mit der Stadt Wesel. Der städtische Friedhofsbetrieb suchte zu diesem Zeitpunkt bereits seit Längerem nach einer Immobilie für eine innenräumliche Urnengrabstätte. Nach erfolgreicher Einigung mit dem Erbbaurechtsvertrag wurde die Kirche schließlich 2018 in einem letzten Gottesdienst profaniert. Kurz darauf begannen die Umbauarbeiten, die Anfang 2020 abgeschlossen wurden. Seitdem ist das Kolumbarium eröffnet.

Im Zuge der Umnutzung wurde das gesamte Areal der Kirche neugestaltet. Es wurde ein neues Gemeindeheim angebaut, der Kirchturm wurde abgerissen und durch einen deutlich niedrigeren Turm ersetzt. Auch eine kleine Werktagskirche im Seitenflügel des Gebäudes wurde saniert, die es Gemeindemitgliedern weiterhin ermöglicht, ihren Glauben auszuleben.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Für die neue Nutzung der Kirche als Kolumbarium wurden im Innenraum mehrere winkelförmige Stelen eingesetzt, die Platz für aktuell circa zweihundert Urnen bieten. Das Konzept ermöglicht es, die Stelen noch zu vergrößern, um bei Bedarf Raum für bis zu 500 Urnen zu schaffen. Die Stelen befinden sich im Bereich der ehemaligen Sitzbänke. Durch deren L-Form entstehen Rückzugsorte, die Räume zum Trauern und Gedenken ermöglichen.

Die Mittelachse und der Altarbereich wurden freigelassen. Dadurch ist der Blick auf die steinerne Rückwand des Raumes, wo früher der Altar verortet war, von überall aus möglich. Fast wie ein Mahnmal erzählt die Wand von der früheren Nutzung als Gottesdienstraum. So bleibt der ehemalige Kirchenraum noch deutlich spür- und erlebbar.

St. Franziskus dient seit der Umnutzung als reines Kolumbarium, eine Mischnutzung für Musikveranstaltungen oder Gottesdienste ist nicht geplant.

Besonderheiten | Erfahrungen

Bei der Umnutzung von St. Franziskus ist es gelungen, die Interessen der Gemeinde mit denen der Kommune zu verbinden, um das für die lokale Bevölkerung symbolträchtige Kirchengebäude erhalten zu können. Ungewöhnlich ist dabei vor allem, dass das Kolumbarium von der Stadt und nicht von der Kirche selbst betrieben wird. Das Gebäude wurde allerdings nicht an die Stadt verkauft, sondern das Nutzungsrecht über einen Erbpachtvertrag geregelt.

 

Felix Hemmers

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.asg-wesel.de/Friedhoefe/Franziskus-Kolumbarium/Franziskus-Kolumbarium/230-015-Broschuere-Kolumbarium-neu.pdf