- Ort
- Bornheimer Straße 130 C, 53119 Bonn
- Ursprüngliche Nutzung
- Pfarrkirche des Erzbistums Köln
- Neue Nutzung
- Ein Dialograum für christlichen Kult und zeitgenössische Kultur
- Gebäude
- 1960 erbaut, Architekten: Emil Steffann (1899-1968) und Nikolaus Rosiny (1926-2011), Mehlem und Köln | 1999 Umbau/Umnutzung zum Dialograum für zeitgenössische Kultur und christlichen Kult, Architekt: k. A.
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die Innere Nordstadt, in der sich Sankt Helena befindet, grenzt an das Bonner Stadtzentrum. Bis in die 1960-Jahre war der Stadtteil das Handwerker- und Baustoffzentrum. Heute ist die Umgebung der Kreuzung an Sankt Helena geprägt durch eine vier- bis fünfgeschossige Wohnbebauung, Bau- und Supermärkte, Autohäuser, Verwaltungsgebäude und kleine Gewerbetreibende.
In der verkehrsreichen Bornheimer Straße, einer Ausfallsstraße Richtung Norden, fällt das Kirchengebäude von Sankt Helena erst auf den zweiten Blick auf: Eingepasst in die Häuserfassade der Nachbarhäuser springt eine fensterlose Schieferfront leicht hervor, die lediglich durch die kleine Glocke als Kirche zu erkennen ist.
Gebäude | Bauform
Die Architekten Emil Steffann und Nikolaus Rosiny versuchten mit dem Kirchenbau von St. Helena die Leitidee der Völkerwallfahrt zum Jerusalemer Tempelberg baulich umzusetzen (vgl. Jes 2,1-4; Ps 122: Gott wohnt auf dem Zionsberg unter den Menschen). Bewusst überschreitet der Kirchbau das Binom „sakral – profan“: Die Kirche passt sich in die Front der weltlichen Nachbarhäuser ein, der Kirchenraum liegt Wand an Wand mit den angrenzenden Wohnräumen. Die Kirche verzichtet auf einen Kirchturm und ist nicht höher als die Nachbargebäude. Es werden einfache, alltägliche Materialien verwendet, wie sie im damaligen Bonner Baustoff- und Handwerkerviertel vertrieben wurden: Beton, Backstein, Stahl, Glas, Schiefer und Holz. Das Stahlrohrgestänge an der Decke könnte als „offener Himmel“ gedeutet werden. In der ebenerdigen Werktagskapelle setzt sich als Fußboden das Straßenpflaster fort. Die Tür ist mit Absicht nicht schalldicht, damit die Verkehrs- und Alltagsgeräusche, die Profanität des Lebens, auch während der Liturgie hörbar sind. Das gesamte Gebäude hebt die strenge Grenze zwischen „der Welt draußen“ und dem „heiligen Innenraum“ auf.
Der Kirchenraum – ein nahezu quadratischer Kubus mit 19,6 Metern Länge, 18,8 Metern Breite und 17 Metern Höhe, der nur durch ein hofseitiges oben verlaufendes Fensterband erhellt wird – befindet sich im Obergeschoss. Man erreicht ihn, indem man unter ihm zwischen Betonpfeilern hindurch zu einem rückseitig angebauten Treppenhaus gelangt und hier auf halber Höhe eine 180°-Wende vollziehen muss. Dem Besucher öffnet sich im 1. Stock ein schlichter Raum aus rotbraunen Lochziegelwänden. Unter der flachen Decke hängt eine Stahlrohrkonstruktion. Auf der Straßenseite befindet sich eine einfache Empore für die Orgel. Mittelpunkt des Raumes ist der Altar auf einem einstufigen Holzpodest, ein großer Quader aus hellem Carrara-Marmor, der auf einer Marmorsäule ruht. Diese Säule führt durch den Fußboden hindurch nach unten in die ebenerdige kleine Kapelle und nimmt dort den Tabernakel (Hostienschrein) auf, bevor sie in der Erde gründet. Aus dem gleichen Marmor sind die Apostelleuchter und Weihwasserbecken gefertigt. Obwohl die Kirche bereits 1960 geweiht wurde, hat sie durch die Anordnung der Bänke in U-Form um den Altar bereits die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils vorweggenommen.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
s. o.
Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde
Ursprünglich war St. Helena eine Pfarrkirche. Um die Jahrtausendwende hatte die Pfarrei gerade noch 900 Pfarrangehörige, von denen nicht einmal mehr 30 zum Sonntagsgottesdienst kamen. Eine Fusion mit den beiden Nachbarpfarreien zeigte, dass St. Helena als liturgischer Raum für die Pfarrei St. Marien, die inzwischen mit zwei weiteren Pfarreien als Pfarrei St. Petrus neu errichtet wurde, nicht mehr ausgelastet war.
Prozess | Beteiligte
Es ist dem damaligen Pfarrer von St. Marien, Peter Adolf, zu verdanken, dass sich 10 Gemeindemitglieder, die am 11. Dezember 2004 den Verein „Kreuzung an Sankt Helena – Ein Dialograum für christlichen Kult und zeitgenössische Kultur e.V.“ gründeten, fanden. Unter den Gründungsmitgliedern waren ein Architekt, ein bildender Künstler sowie der damalige Inhaber des liturgiewissenschaftlichen Lehrstuhls der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn.
Nachdem die letzte Messe im Kirchenraum gefeiert und das Allerheiligste in einer Prozession in die Kapelle im Erdgeschoss übertragen worden war (hier finden weiterhin Eucharistiefeiern, Wortgottesdienste und Veranstaltungen der Pfarrei St. Petrus und ihres Geistlichen Zentrums statt), wurde der große Kirchenraum im Obergeschoss leergeräumt. Erhalten blieben der nicht profanierte Altar, die Apostelleuchter und Weihwasserbecken, so dass der Kirchenraum weiterhin als ein solcher erkennbar bleibt.
Aus dem Verkauf der Orgel wurde der finanzielle Grundstock des Vereinskapitals aufgebaut, der – neben den Mitgliederbeiträgen der Vereinsmitglieder, Spenden und Fördergeldern für einzelne Projekte – zur Risikoabsicherung des laufenden Programms im Dialograum dient. Die Pfarrei St. Petrus, die inzwischen Eigentümerin der Liegenschaft ist, stellt dem Verein den Kirchenraum unentgeltlich zur Verfügung und trägt die laufenden Gebäudekosten.
Dieses Engagement der Pfarrei ist Teil des sogenannten „Petrus-Weges“, den die Pfarrei St. Petrus – inspiriert durch die Erfahrungen der Erzdiözese Poitiers – nach einer Vorlaufphase von sechs Jahren seit 2013 beschreitet. Die dialogisch ausgerichtete Pastoral, die mehr und mehr von „Gemeinde-Equipen“ an den Kirchorten der drei vormals selbständigen Pfarreien geleitet wird, erfährt ihre inhaltliche Strukturierung durch „fünf Säulen“:
- Orte und Zeiten für Begegnung und Dialog
- Begegnung mit der zeitgenössischen Kultur und Gesellschaft
- Begegnung mit dem ‚Armen Christus
- Gemeinsame Wege erwachsenen Glaubens
- Feier des Glaubens
In dieser pastoralen Ausrichtung ist der Dialograum explizit in der zweiten „Säule“ verortet.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Im Jahresschnitt findet in der Regel jeden zweiten Tag im Dialograum eine Veranstaltung statt: Kunstausstellungen, Installationen, Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen, Symposien, Tanz- und Theaterprojekte, Performances, Konzerte, Lesungen, experimentelle Gottesdienste etc. Hinzu kommen Beteiligungen an Aktionen der Kunst- und Kulturszene im Bonner „Macke-Viertel“, wie der Bonner Stadtteil, in dem sich der Dialograum befindet, gerne genannt wird.
Das gesamte Programm wird ehrenamtlich von einem elfköpfigen Team des interreligiös und multinational besetzten Programmbeirats und einem fünfköpfigen Vereinsvorstand gestemmt. Jede Veranstaltung und jedes Programmformat werden von einer Beiratspatin oder einem Beiratspaten kuratiert. Beirat und Vorstand kümmern sich um die Finanzierung und sämtliche Bereiche der Logistik – vom Getränkeeinkauf über die Licht- und Tontechnik bis hin zu Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Selbst der defekte Eichenholzquaderboden wurde von den ehrenamtlichen Mitarbeitern repariert.
Heizkosten, Reparaturen, Anschaffungen und Projektkosten bestreitet der Verein aus eigenen Mitteln, das heißt aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Fördergeldern, die teils mit hohem Aufwand eingeworben werden.
Der Dialograum „Kreuzung an Sankt Helena” ist mit diversen Einrichtungen und Initiativen im Stadtviertel vernetzt. Kontakte bestehen unter anderem zum August-Macke-Haus, zum Bonner Kunstverein, zum Bonner Künstlerforum, zur Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, zu den Kultur- und Veranstaltungszentren „Kult41″ und „Fabrik45″, zur Alevitischen Gemeinde und zur DITIB-Moschee.
Besonderheiten | Erfahrungen
Menschen aus dem ganzen Rheinland kommen zu den Veranstaltungen, wobei die Besucherzahlen zwischen einem Dutzend und mehreren hundert schwanken. Interessanterweise ist das positive Feedback außerhalb der verfassten Kirche größer als innerhalb der Bonner Stadtkirche. So wurde der Dialograum seit 2017 zum fünften Mal in Folge durch die Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien als „Spielstätte des Jahres“ mit dem „Applaus“ für unabhängige Spielstätten ausgezeichnet. Die Deutsche Welle berichtete mehrfach mit Videobeiträgen über den Dialograum und der WDR nahm mehrere Radiobeiträge zu Veranstaltungen im Dialograum in sein Programm auf. Ebenso berichteten Kulturmagazine sowie die digitale Fachpresse regelmäßig über das international und intermedial geprägte Programm und liefern positives Feedback und begeisterte Rezensionen.
Burkard Severin