- Ort
- 44866 Bochum, An St. Pius 2
- Ursprüngliche Nutzung
- katholische Pfarrkirche
- Neue Nutzung
- Kolumbarium (Urnengrabstätte)
- Gebäude
- 1955–1956 erbaut, Wattenscheid (Heute Bochumer Stadtteil) | 2006 Schließung von St. Pius für den Gottesdienstbetrieb | 2009 Beschluss zur Nutzung als Urnenkolumbarium | 2014 Eröffnung des Kolumbarium nach erfolgtem Umbau
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die in der Nachkriegszeit erbaute ehemalige katholische Pfarrkirche St. Pius befindet sich im Bochumer Stadtteil Wattenscheid. Zu Zeiten der Erbauung war Wattenscheid dabei noch eine eigene Stadt, die zwischen den Großstädten Essen und Bochum lag.
Das Sakralgebäude liegt nördlich des Wattenscheider Zentrums und ist von diesem fußläufig erreichbar. Das umgebende Quartier stellt ein Mischgebiet aus Wohnbebauung und Naherholungsgebieten dar. Richtung Osten grenzt St. Pius direkt an den Wattenscheider Stadtgarten, die größte Parkanlage der Stadt. In diesem Park befinden sich unter anderem das Freilufttheater sowie ein Sportverein. Westlich des Kirchengebäudes befindet sich eine große Schrebergartenanlage. Zudem ist dort ein ebenfalls katholischer Kindergarten ansässig. Nach Norden und Süden hingegen erstrecken sich Wohnanlagen in Form von mehrstöckigen Mehrfamilienhäusern mit klassischem Satteldach. Durch diese städtebauliche Struktur bildet St. Pius das Zentrum des Quartiers aus. Diese Stellung wird durch den Kirchturm unterstrichen, der den höchsten Punkt der näheren Umgebung darstellt.
Gebäude | Bauform
St. Pius orientiert sich an der Grundform einer klassischen Basilika. Es handelt sich dementsprechend um einen Längsbau mit zentralem Mittelschiff und zwei deutlich niedrigeren Seitenschiffen. Seitlich angebaut befindet sich der Kirchturm, der auf quadratischem Grundriss fußt. Die Höhendifferenz zwischen Mittel- und Seitenschiff ist bei diesem Kirchengebäude besonders ausgeprägt. Die Seitenschiffe wirken dadurch sehr gedrungen und dunkel, während das Mittelschiff besonders hoch und hell und damit beeindruckend wirkt. Dies wird durch die großen Fenster unterstützt, die sich weit oben an den Außenwänden des Mittelschiffes befinden. In den Seitenschiffen befinden sich lediglich einige kleinere, kreisrunde Fensteröffnungen. Es entsteht eine klare räumliche Hierarchisierung, die auch durch die massiv ausgebildeten Säulen verstärkt wird, die die Kirchenschiffe voneinander abtrennen.
Eine weitere Besonderheit betrifft die Ausgestaltung des Chorbereiches. Die niedrigen Seitenschiffe ziehen sich bis um den halbkreisförmigen Chorbereich herum und bilden einen umlaufenden Gang aus. Der um mehrere Stufen erhöhte Chorbereich im Mittelschiff setzt sich so umso stärker ab und bildet das klare Zentrum des Raumes aus.
Von außen dominieren schlichte geometrische Formen das Erscheinungsbild des Kirchengebäudes. Wie in der Nachkriegszeit üblich, wurde die Fassade vollflächig mit rötlichen Ziegelsteinen verblendet. Zum Haupteingangsportal wurde ein großes Rosettenfenster in den Giebel eingelassen.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
Die Errichtung von St. Pius fällt in die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges des Ruhrgebietes nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals wuchs auch die Bevölkerung von Wattenscheid stark an, sodass die lokale katholische Gemeinde mit dem Bistum Essen den Kirchenneubau beschloss. Erbaut wurde das Gebäude von 1955 bis 1956. Mit der späteren Errichtung des gleichnamigen Kindergartens gewann das Ensemble weiter an Bedeutung für das Quartier.
Durch die Lage innerhalb eines klassischen Wohngebietes trat St. Pius vor allem als lokaler gesellschaftlicher Treffpunkt für die überwiegend katholischen Bewohner*innen in Erscheinung. Hier wurden Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten abgehalten, auf dem großzügigen Kirchplatz fanden Gemeindefeste statt.
Durch den Rückgang der Gemeindemitglieder sowie die sinkende Beteiligung an Gottesdiensten zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde zunehmend nur noch die katholische Hauptkirche von Wattenscheid, St. Gertrud von Brabant, für Eucharistiefeiern genutzt. Dieses historische Sakralgebäude liegt prominent im Zentrum von Wattenscheid und verfügt über deutlich mehr Sitzplätze. 2006 wurde St. Pius schließlich endgültig geschlossen.
Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde
s. o.
Prozess | Beteiligte
Nach der Profanierung von St. Pius kam in der Gemeinde die Idee auf, den Kirchenraum als Urnengrabstätte zu nutzen. Der damalige Bischof des Bistums Essen stand diesem Plan allerdings skeptisch gegenüber. Als 2009 ein Bischofswechsel im Bistum stattfand, wurde das Konzept von der Gemeinde nochmals überarbeitet und stärker auf die Arbeit der Trauerseelsorge ausgerichtet. Diesmal stimmte das Bistum den Plänen zu. Nach umfangreichen Bau- und Sanierungsmaßnahmen wurde das Kolumbarium schließlich im Jahr 2014 feierlich eröffnet.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Seit dem Umbau finden 2500 Urnen Platz im Innenraum des ehemaligen Sakralgebäudes. Diese sind in stählernen Kammern untergebracht, die sich stelenartig an den Seiten des Kirchenschiffes sowie auf dem Boden entlang ziehen. Ihre charakteristische dunkle Farbigkeit schafft einen starken Kontrast zu den weißen Wänden des Kirchenbaus. Durch die Anordnung entlang der Raumgrenzen bleibt der ursprüngliche räumliche Eindruck trotz der neuen Nutzung vollständig gewahrt.
Im Zentrum des Raumes befindet sich eine Rampe, die sich vom Taufbecken im Eingangsbereich im Osten bis zum erhöhten Chorbereich im Westen entlang zieht. Hierdurch sollen der christliche Glaube an die Auferstehung sowie der Trauerprozess verbildlicht werden. Im ehemaligen Chorbereich befindet sich eine offene Kapellensituation. Hier werden Trauergottesdienste abgehalten. Einmal im Monat findet zudem das sogenannte Trauercafé statt, bei dem sich Angehörige austauschen und sich gegenseitig Trost spenden können.
Besonderheiten | Erfahrungen
St. Pius ist ein interessantes Beispiel für den behutsamen Umbau einer Kirche zu einem Kolumbarium, einer mittlerweile weit verbreiteten Form der Kirchenumnutzung. Durch die gezielte Platzierung der Stelen ist es gelungen, einen harmonischen Ort zu schaffen, der einen angemessenen Raum für Trauer und Gedenken bietet. Rücksichtsvoll wurden christliche Gedanken in architektonische und künstlerische Elemente übersetzt. Getragen wird das Konzept von einem umfangreichen seelsorgerischen Unterstützungsangebot, das sich von Trauergottesdiensten über Einzelgespräche bis hin zum regelmäßig stattfindenden Trauercafé erstreckt. Durch die Öffnung für alle Konfessionen bleibt St. Pius zudem ein wichtiger Ort für die lokale Gemeinschaft.
Felix Hemmers