- Ort
- 52428 Jülich, An der Lünette 7
- Ursprüngliche Nutzung
- katholische Pfarrkirche
- Neue Nutzung
- Fahrradgeschäft mit Werkstatt
- Gebäude
- 1961 Fertigstellung und Einweihung, Architekt: Gottfried Böhm (1920-2021), Köln | 1961 - 2013 katholische Pfarrkirche der Gemeinde St. Rochus | 2013 Gemeindefusionierung mit 13 weiteren lokalen Pfarreien | 2022 Profanierung | 2023 Eröffnung des Fahrradgeschäftes
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die ehemalige Kirche St. Rochus liegt in der Stadt Jülich, die sich etwa mittig zwischen Köln und Aachen in unmittelbarer Nähe zum Tagebau Hambach befindet.
Obwohl der Stadtkern Jülichs nur etwa 500 Meter entfernt ist, liegt St. Rochus in einem sehr ruhigen Umfeld. Das umgebende Quartier ist überwiegend von Wohnbebauung in Form von Ein- und Mehrfamilienhäusern geprägt. Punktuell sind zudem gastronomische Betriebe und soziale Einrichtungen, wie eine Kindertagesstätte, vorhanden. Abgegrenzt wird das Quartier in Richtung Westen durch den Fluss Rur sowie nach Norden durch den Ellebach, der den Beginn der Kernstadt markiert. Das Sakralgebäude liegt genau im geografischen Zentrum des Viertels und stellt zusammen mit dem Gemeindehaus und der integrativen Tageseinrichtung den sozialen Quartierskern dar. Der Turm der Kirche ist das mit Abstand höchste Bauwerk in der näheren Umgebung und somit weithin sicht- und erkennbar.
Zwischen Kirche und Tageseinrichtung erstreckt sich eine kleine, parkähnliche öffentliche Grünfläche, die als Naherholungsfläche dient.
Gebäude | Bauform
Bei St. Rochus handelt es sich um ein Sakralgebäude aus der Nachkriegsmoderne. Der Entwurf stammt vom Architekten Gottfried Böhm, Fertigstellung und Einweihung erfolgten 1961.
Das Gebäude ist geprägt von seiner markanten Kubatur, die aus mehreren, unterschiedlich hohen Kuben besteht. Das Zentrum bildet das hohe Mittelschiff, das beidseitig von zwei flachen Seitenschiffen flankiert wird. Diese sind deutlich länger als das Mittelschiff und umschließen an ihrem Ende eine kleine, achteckige Kapelle, die über einen schmalen Gang mit dem Hauptraum der Kirche verbunden ist. Sie kann zudem auch von außen betreten werden.
Im Bereich des Haupteingangsportals auf der Westseite des Gebäudes befindet sich etwas abgesetzt ein freistehender Kirchturm, der über ein schmales Betonband optisch mit dem Kirchenschiff verbunden ist.
Die Fassaden von Turm und Mittelschiff werden vom flächigen Einsatz des groben Waschbetons dominiert. Über ein breites, umlaufendes Fensterband setzt sich das hohe Mittelschiff von den flacheren seitlichen Gebäudeteilen deutlich ab. Dessen abstrakte Gestaltung stammt aus einem Entwurf des Glaskünstlers Hubert Spierling. Die Fassade der Seitenschiffe ist in hellrotem Ziegelstein ausgeführt. Den oberen Abschluss bildet ein schmales, umlaufendes Betonband. Kleine, quadratische Fensteröffnungen rhythmisieren die ansonsten flächigen Wände.
Auch im Innenraum prägt die kubische Formensprache den Raumeindruck. Die Sichtbetonwände werden von den breiten Fensterbändern aufgebrochen, die das Mittelschiff mit viel Tageslicht versorgen. Ein großes Wandrelief von Peter Paul Jacob Hodiamont über dem Altar fügt sich nahtlos in das Fensterband ein und nimmt dessen bläulich schimmernde Farbstruktur auf. Die niedrigen Seitenschiffe wirken dazu im Kontrast sehr gedrungen und dunkel.
Der Altarbereich befindet sich im Osten in der Zentralachse des Gebäudes. Er ist über drei Stufen vom Niveau des restlichen Gebäudes erhoben worden. Über dem Eingangsportal im Westen liegt die offene Orgelempore, die über eine freie Wendeltreppe erschlossen wird. Die hölzerne Orgel korrespondiert mit der ebenfalls in Holz ausgeführten, offenen Konstruktion der flachen Decke.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
St. Rochus war lange Zeit eine eigenständige Pfarrgemeinde, die neben dem liturgischen Angebot auch ein Gemeindezentrum und eine Kindertagesstätte betrieb. Sie bildete somit das katholische Zentrum des Quartiers aus. Im Jahr 2013 wurde die Pfarrei mit 13 anderen Pfarreien aus der Stadt Jülich zusammengelegt.
Prozess | Beteiligte
Im weiteren Verlauf dieser Neuorganisation der Pfarreien wurde für St. Rochus schließlich eine neue Nutzung gesucht. So kam der Kontakt zu einem lokalen Fahrradunternehmer zustande, der selbst in St. Rochus getauft wurde und zu der Zeit auf der Suche nach einer neuen Verkaufsstätte war.
Bereits frühzeitig wurde auch die Denkmalbehörde in den Umnutzungsprozess einbezogen. Ende 2022 wurde das Kirchengebäude schließlich entwidmet und an dem Unternehmer verkauft, der dort seit 2023 sein Fahrradgeschäft samt Werkstatt betreibt.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Im ehemaligen Mittelschiff werden nun seit der Umnutzung Fahrräder zum Verkauf ausgestellt. In den Seitenschiffen befinden sich die offene Werkstatt sowie verschiedene Verkaufsständer, die teilweise aus den ehemaligen Kirchenbänken hergestellt wurden.
Insgesamt waren aufgrund des offenen Raumkonzeptes fast keine Umbauten notwendig, wodurch der Raum mit seiner Atmosphäre für die Besucher*innen weiterhin erlebbar bleibt. Lediglich die Abtrennung eines kleinen Bereiches eines Seitenschiffes als beheizbares Büro wurde in Abstimmung mit der Denkmalbehörde umgesetzt. Es wurden zudem fast keine Werbetafeln im Kircheninneren angebracht. Als Ausgleich wurde eine reversible Leinwand über dem ehemaligen Altarbereich aufgestellt, auf der abwechselnde Werbe- oder Imagefilme gezeigt werden können.
Die kleine Kapelle ist in ihrer Ursprungsfunktion erhalten geblieben und steht der Gemeinde weiterhin zur Einkehr sowie für die Veranstaltung von Gottesdiensten zur Verfügung.
Besonderheiten | Erfahrungen
Durch den Verkauf des Kirchengebäudes an ein Mitglied der Gemeinde ist es bei der Umnutzung von St. Rochus gelungen, eine ökonomisch tragbare Nachnutzung zu etablieren, die trotzdem noch eine Verbindung zur Gemeinde hat.
Durch die Biografie des Unternehmers wurde dem Gebäude zudem trotz der kommerziellen Nutzung ein hohes Maß an Wertschätzung entgegengebracht, was sich auch dadurch äußert, dass der ursprüngliche Raumeindruck weitestgehend erhalten wurde. Des Weiteren hat auch die weiterhin mögliche Nutzung der kleinen Kapelle zu einer großen Akzeptanz des neuen Nutzungskonzeptes innerhalb der Gemeinde geführt.
Felix Hemmers
Quellen:
Baukunst NRW: St. Rochus in Jülich