Kirchenschließungen haben im Bereich der sozialen Stadtentwicklung enorme Folgen für die Sozialgefüge ihrer jeweiligen Quartiere. Mit dem Verlust von Sakralräumen gehen sehr häufig auch weitere Funktionsräume, wie Gemeindesäle, Gruppenräume, Bibliotheken, Kleiderkammern, Kindertagesstätten etc., und die hiermit verbundenen kulturellen und sozialen Angebote und Möglichkeiten verloren. Von kommunaler Seite können der Wegfall weder der räumlichen Möglichkeiten noch der entsprechenden Angebote ehrenamtlichen Engagements aufgefangen oder ersetzt werden. Diese sozialen Verflechtungen von Kirchengemeinden und ihre Potenziale für die Quartiersentwicklung sichtbar zu machen, zu stärken und weiterzuentwickeln, hat sich das Projekt „Kirche findet Stadt“ im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik zur Aufgabe gemacht. Sowohl Nutzungserweiterungen als auch neue Nutzungen für Kirchengebäude im sozialen Bereich wurden dabei ermittelt. Eine weitere bundesweite Initiative, die sich mit der Suche nach nachhaltigen Nutzungen und einer adäquaten Gestaltung von neu- und mehrfach genutzten Kirchengebäuden beschäftigt hat, war der 2017 dokumentierte Wettbewerb „Kirchengebäude und ihre Zukunft. Sanierung – Umbau – Umnutzung“ der Wüstenrot Stiftung, zu dem fast 300 Projekte aus ganz Deutschland eingereicht wurden.
Generell lässt sich erkennen, dass Gebäude von Pfarr- oder Gemeindekirchen im Vergleich zu Klosterkirchen oder Anstaltskirchen in der Regel einen größeren Identifikationswert und eine deutlich höhere Verbundenheit mit der sozialen Umgebung aufweisen. Somit können verschiedene sakrale Nutzungstypen der Kirchengebäude Einfluss auf die Situation im Quartier haben. Es ist dabei zu unterscheiden, ob es sich um ein reines Sakralgebäude, eine Kirche mit Nebengebäuden für Gemeindearbeit oder ein multifunktionales Gebäude mit Kirchenraum und weiteren Nutzungsmöglichkeiten handelt, beispielsweise bei evangelischen Gemeindezentren.
Entscheidend für die Umnutzungsprozesse und die zu planenden Nachnutzungen ist in besonderem Maß das soziale Umfeld der Gebäude. Hierbei geht es um die Lage und Struktur der Kommune und des näheren Umfeldes des Gebäudes, die soziale und kulturelle Einbindung der Kirche in das jeweilige Quartier und damit auch um die bürgerschaftliche Mobilisierbarkeit. Die allgemeine Entwicklungsdynamik der jeweiligen Kommune und ihre demografische Situation haben einen hohen Einfluss auf die Möglichkeiten Gebäude mit neuen Nutzungen zu erhalten und weiter zu entwickeln. In stabilen und wachsenden Kommunen lassen sich auch voraussichtlich leichter Nachnutzer finden für anspruchsvolle Immobilien wie Kirchengebäude, bei denen teilweise auch der Denkmalschutz bei der Umnutzung berücksichtigt werden muss, als in schrumpfenden Umgebungen. Institutionen im Umfeld, wie soziale Einrichtungen, (Hoch-)Schulen, Museen, Firmenzentralen und andere, können eventuell über Mitnutzungen oder finanzielles Engagement zu einer Neuorientierung beitragen.
Jörg Beste, synergon Köln