Das Ausmaß der Entwicklung in Nordrhein-Westfalen wird zunächst in den stark urbanisierten Bereichen mit einer Vielzahl von aufgegebenen Kirchengebäuden sichtbar. Die Entwicklungsdynamiken sind dabei zwischen einzelnen katholischen (Erz-)Bistümern und evangelischen Landeskirchen sowie in den Siedlungsstrukturen teilweise unterschiedlich verteilt, je nach ihrer Finanzsituation oder Organisationsstruktur. Trotzdem sind in den letzten Jahren bereits in einem erheblichen Teil der Kommunen Kirchen aus der Nutzung gefallen oder es zeichnet sich kurz- bis mittelfristig ein zu erwartender Kirchenleerstand ab. Die Schwerpunkte der Veränderungen verteilen sich dabei aktuell noch unterschiedlich auf die Siedlungsgrößen, sind aber nahezu unabhängig von der jeweiligen Entwicklungsdynamik sowohl in schrumpfenden, in stabilen und auch in wachsenden Kommunen zu verzeichnen. Insbesondere im weiteren Pendlerverflechtungsraum der Großstädte, in peripheren Kleinstädten und ebenfalls in Landgemeinden werden zukünftig vermehrt Kirchenschließungen erwartet. Ein Fortschreiten dieser Entwicklung aus den Ballungsräumen in die kleineren Städte und ländlicheren Gemeinden lässt sich bereits beobachten und wird sich weiter vollziehen.
Die Frage nach dem Ausmaß, das die Entwicklung der Kirchenschließungen, Umnutzungen oder Nutzungsänderungen annehmen wird, ist nur schwer zu beantworten. Einen ersten Eindruck bietet ein Blick auf die kommunale Ebene des Bistums Essen, da hier bereits ein großer Teil der aufzugebenden Kirchen definiert und kommuniziert wurde. Die Städte Bochum und Gelsenkirchen haben daraufhin Kirchenschließungskataster beider Konfessionen für ihre Stadtgebiete erarbeitet. Bis 2017 wurden von den 2006 noch ca. 88 Kirchengebäuden in Bochum mit ca. 24 vollzogenen oder geplanten Schließungen 27 Prozent des Gesamtbestandes aufgegeben. In Gelsenkirchen wurden von den 2006 noch ca. 63 Kirchen bis 2017 ca. 18 und damit 29 Prozent der Gebäude aufgegeben. Ein weiterer Schub ist mit dem Abschluss des sogenannten „Pfarreientwicklungsprozesses“ des Bistums Essen und weiteren Projekten in evangelischen Gemeinden zu erwarten, allerdings ist dieser noch nicht zu beziffern. Mittel- bis längerfristig müssen einige Kommunen also mit einer Schließungsquote von 25 bis 30 Prozent des Gebäudebestandes rechnen. Übertragen auf die von den Landesdenkmalämtern ermittelten ca. 6.000 Kirchengebäude in Nordrhein-Westfalen können hier somit auf lange Sicht ca. 1.500 Kirchengebäude betroffen sein.
Jörg Beste, synergon Köln