Themen — Erhalt und Neuausrichtung / Denkmalschutz und Denkmalpflege

Leitlinien für neue Nutzungen von Kirchengebäuden

Umnutzungen von Kirchenbauten können helfen, sowohl das sinnstiftende Bild der Kirche als Mittelpunkt einer Gemeinde im Ort weiterhin fest zu verankern als auch den baukulturellen Wert des Gebäudes für die Zukunft zu sichern.

Denkmalpflegerische Aspekte bei Umnutzungen

Ziel der Denkmalpflege ist es, dass Sakralbauten, die in eine andere Nutzung überführt werden, neben ihren materiellen, künstlerischen Werten auch ihre von Bedeutungswerten geprägte Erscheinung behalten sollen. Für die Denkmalpflege sind dabei grundsätzlich viele Formen der Nutzung denkbar, wenn sie sich an diesen Parametern orientieren. Das bedeutet, dass auch neue Nutzungen mit Veränderungen im Denkmal möglich sind. Und wie so oft bei Eingriffen in denkmalwerte Zusammenhänge, kommt es meist weniger auf das „Ob“ als auf das „Wie“ an.

Im Zentrum der Überlegung zu jeder Umnutzung steht daher die Frage:
Was macht die Kirche aus?

Bei der Beantwortung dieser Frage stehen mehrere Aspekte im Mittelpunkt, die berücksichtigt werden sollten:

Der freie und weite Innenraum eines Kirchengebäudes ist vielfach eng mit seinem Denkmalwert verbunden. Jede Umnutzung sollte daher diese Innenraumwirkung so weit wie möglich erfahrbar belassen. Eine denkmalgerechte Umnutzung funktioniert immer dann gut, wenn sich Ein- und Umbauten dem Kirchenraum unterordnen und so gering wie möglich ausfallen.

Zur denkmalwerten Kirche selbst zählt auch ihr Wirkungsraum, das ist die spezifische Umgebung. Diese kann im Einzelfall sehr weit gefasst sein. Man denke dabei an die Sichtachsen, die von einem barocken Schloss in die Landschaft oder zu einem Blickpunkt (Point du Vue) führen; oder aber an eine Kirche, deren Turm als einziger Hochpunkt eine Stadtansicht oder eine Landschaft prägt; oder an ein repräsentatives Wohnhaus, welches die Eckbebauung eines historistischen Stadtviertels formt. Auch diese Eigenschaften, die die spezifische Umgebung des Denkmals ausmachen, zählen zu seinen grundlegenden, konstituierenden Merkmalen, weshalb sie bei Veränderungen immer berücksichtigt werden müssen.

Vor diesem Hintergrund sollte die Planung dahingehend ausgerichtet sein, größere Eingriffe in die Gebäudehülle oder weitreichende Anbauten, die Ansicht auf das Kirchengebäude verstellen, zu vermeiden.

Neben den baukünstlerischen Werten eines Kirchendenkmals sollen möglichst auch dessen Symbolwerte weitgehend unbeeinträchtigt in die Zukunft überführt werden. Hier ist insbesondere auch die Ausstattung einer Kirche angesprochen, die einen festen, integralen Bestandteil innerhalb des Bauwerks darstellt. Gerade in Kirchengebäuden, finden sich neben den ortsfesten Ausstattungsstücken (zum Beispiel Glasfenster, Schmuckböden) auch mobile Gegenstände (zum Beispiel Altar, Ambo, Bänke), die wesentlich zum Denkmalwert beitragen und deshalb aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Denkmal nur im örtlichen Kontext ihre Bedeutung entfalten können. Bei allen Nutzungsanpassungen verlangen diese Ausstattungsstücke ein besonderes Augenmerk. Ziel sollte es sein, die Bedeutungszusammenhänge sichtbar zu erhalten. Bei einer profanen Weiternutzung haben sicherlich Wandmalereien und Fensterverglasungen eine Chance auf Fortbestand.

Am leichtesten kann ein Umnutzungsprozess gelingen, wenn die Kirchengebäude anderen christlichen Kirchen oder kirchlichen Institutionen für liturgische oder seelsorgerische Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Eine kultische Umwidmung für nichtchristliche Religionsgemeinschaften wird vonseiten der Denkmalpflege ebenfalls als denkbar erachtet

Das bedeutet, dass Veränderungen auf das wirklich Notwendige beschränkt werden sollen, um tief gehende Umbauten und Umgestaltungen zu vermeiden. Erstrebenswert bei jeder Maßnahme ist die Option einer Reversibilität (eine umkehrbare Zustandsänderung) von kirchenuntypischen Ein- und Umbauten. Modernisierungen, energetische Ertüchtigungen, bauliche Erweiterungen oder Umnutzungen sind dabei keinesfalls ausgeschlossen, sondern in vielen Fällen Voraussetzung für einen langfristigen Fortbestand des Denkmals. Unerlässlich bei allen baulichen Eingriffen im Zuge von Umnutzungen ist eine vorausgehende ausführliche Dokumentation in Text und Bild. Sie dient der Würdigung des einzigartigen auf uns überkommenen baukulturellen Erbes und ist für zukünftige Maßnahmen am Bauwerk als Quelle befragbar.

Manchmal haben sich auch der lange Atem und die Geduld bei der Suche einer neuen Nutzung bewährt. Bisweilen muss man sich den souveränen Mut gönnen, Kirchengebäude einfach zu schließen, sie bauphysikalisch dicht zu halten, zwischendurch zu lüften und auf andere, vielleicht bessere Voraussetzungen zu warten.

Eine ganze Bandbreite verschiedener denkmalgerechter Formen der Umnutzung haben die Denkmalpflegeämter der Landschaftsverbände in ihrer Publikation „Kirchen im Wandel. Veränderte Nutzung von denkmalgeschützten Kirchen“ vorgestellt.

Das letzte Mittel: Abbruch

Der Abbruch eines Denkmals bedeutet immer die Vernichtung von Materie und Werten. Daher kann der Abbruch eines denkmalwerten Kirchengebäudes immer nur das letzte Mittel sein. Denn Kirchenbauten sind eine unersetzbare kulturelle Ressource und bedeutender Teil der christlichen Geschichte. Sie sind aber auch materielle Ressourcen in einer Stadt oder einem Ort und damit nachhaltige Räume. Und schließlich sind Kirchenbauten in der Regel Gedächtnis und Mittelpunkt eines Ortes oder einer Gemeinde.

Vielfach weisen Kirchenbauten, auch die der Nachkriegsmoderne, hohe architektonische Qualitäten auf. So stehen zum Teil kühne Raumschöpfungen und Baukörper neben experimentellen Lösungen, die es wert sind, bewahrt zu werden, weil sie uns Auskunft geben über die architektonischen Vorstellungen und planerischen Leistungen einer vergangenen Zeit.

Kirchen sind ganz allgemein Orte des Zusammentreffens, auch jenseits ihrer liturgischen Funktion. Die Erhaltung der Gebäude ist daher eine kontinuierliche Aufgabe; sie beginnt nicht mit dem Zeitpunkt des Umstrukturierungsprozesses.

LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Pulheim | LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Münster

Literatur

VDL, 2020
EKvW, 2017
VDL, 2016
DSD/VDL/DNK, 2011
DSD/VDL, 2011
Landesinitiative StadtBauKultur NRW, LVR-ADR und LWL-DLBW, 2010
Beste, 2010